Judi Dench: "Habe keine Zeit zum Luftholen"

Actress Judi Dench arrives at the British Academy of Film and Arts awards ceremony at the Royal Opera House in London
Actress Judi Dench arrives at the British Academy of Film and Arts awards ceremony at the Royal Opera House in LondonREUTERS
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Für James Bond war sie die strenge Chefin. Jetzt geht Judi Dench in "Philomena" auf die Suche nach einem verlorenen Sohn. Ein Gespräch über das reale Vorbild und das Leben nach dem Tod ihres Mannes.

So ziemlich jeder Kinogänger kennt sie, seitdem sie James Bonds strenge Chefin M gespielt hat. Dabei ist Judi Dench das Gegenteil: herzlich und lebhaft. Jetzt könnte es für die Britin ein Oscar als beste Hauptdarstellerin werden: In „Philomena“ spielt sie eine Frau, die sich auf die Suche nach ihrem Sohn macht, der der ledigen Mutter von Nonnen weggenommen wurde – eine Story, die sich wirklich so zugetragen hat.

Erst eine Frage zum Protokoll: Nennt man Sie Dame Judi? Wie gehört es sich offiziell?

Judi Dench: Nun, es heißt Dame Dench. Aber das hört sich doch merkwürdig an, oder? Zu Sir und Lady gehört der Vorname.

Haben Sie die reale Philomena getroffen?

Ja, das wollte ich unbedingt. Ich habe mich mit ihr zum Mittagessen getroffen. Was mich erstaunt hat, ist, wie offen und humorvoll sie ist. Sie wirkt in ihrer Fröhlichkeit fast naiv. Anderseits konnte sie gar nicht aufhören, ihre Geschichte zu erzählen. Nach 50 Jahren Schweigen nun endlich über dieses Unrecht reden zu können, muss guttun. Mich hat auch überrascht, dass sie eine große Intuition für ihren Sohn behalten hat. Als sie herausfand, dass ihr Sohn schwul war, sagte sie: „Ich weiß es, seitdem ich das Foto von ihm in der Latzhose gesehen habe.“ Latzhose? Das ist richtig schräg, wie sie sich Zusammenhänge zusammengereimt hat.

Ein Journalist stößt dann auf ihre Geschichte und begleitet Philomena auf der Suche nach ihrem Sohn. Was hat Sie an ihr erstaunt?

Sie hat eine Mischung aus Naivität und entwaffnendem Humor. Über einen Bisexuellen meinte sie: „Ich dachte immer, er sei bi-neugierig.“ Was für ein großartiges Wort! Ich wünschte, mir würde so etwas einfallen.

Sie gewannen für „Shakespeare in Love“ schon einen Oscar als beste Nebendarstellerin. Beeindruckt Sie so eine Zeremonie?

Die Gala ist wie eine süße Falle, wunderbar und absolut zu viel des Guten. Die Leute fangen ja schon um halb sieben morgens an, sich fertig zu machen: Zum Frühstück die Maniküre, dann kommt der Friseur, und dann steigt man in eine Limousine – und ist zu spät. Die Limos stauen sich so sehr, dass man Stunden braucht, um durchzukommen. Einmal wurden wir fast ausgesperrt, weil wir zu spät kamen, da war es schon losgegangen.

Können Sie auch noch selbst schwärmen?

Ich bin sehr wohl fähig dazu, einfach ein Fan zu sein. Ich liebe Bob Hoskins, Ian McKellen – und bin ein großer Fan von Johnny Depp. Wir haben zusammen „Chocolat“ gedreht. In einer Szene haben wir kurz miteinander getanzt – und das ist aus dem Film herausgeschnitten worden. Ich war damals so sauer! Auch, weil ich schon jedem davon erzählt hatte...

Denken Sie manchmal an die Pension?

Überhaupt nicht. Ich bin im Gegenteil richtig stolz, Arbeit zu haben. Wenn man in dem Beruf, den man sich ausgesucht hat, arbeiten und davon leben kann, ist das ein großes Glück. Und dann werden mir noch all diese unterschiedlichen Rollen angeboten – das empfinde ich als großes Geschenk.

Vor lauter Filmen vergisst man, dass Sie die meiste Zeit auf der Bühne standen. Was fasziniert Sie noch als Theaterschauspielerin?

Mich fasziniert Shakespeare. Noch immer! Es gibt allerdings kaum Figuren, die ich noch nicht gespielt habe. (lacht) Höchstens noch Julias Zofe ...

Schade, dass Sie nicht mehr bei James Bond dabei sind. Sie gehörten quasi zum Inventar.

Nein, ich glaube, der Geheimdienst hätte mich in meinem Alter schon längst vor die Tür gesetzt.

Haben Sie durch Bond neue Fans gewonnen?

Oh ja, und das ist großartig. Jetzt kommen viele junge Kerle und fragen mich nach Autogrammen. Sie halten mich wohl für ein bisschen cool... Vielleicht locke ich sie ja sogar ins Theater. Das sehe ich nämlich immer noch als meine Mission an. Es ist schön, junge Fans zu haben. Maggie Smith geht das so mit „Harry Potter“, „Herr der Ringe“ und „Downton Abbey“. Früher hieß es „Geben Sie mir ein Autogramm für meine Oma?“ Jetzt heißt es: „Es ist für meinen 16-jährigen Sohn.“ Das ist doch toll, oder?

Sie sind seit 2001 verwitwet. Wie haben Sie mit Ihrem Verlust leben gelernt?

Nachdem mein Mann verstorben ist, habe ich mir niemals Zeit zum Luftholen gegönnt. Ich habe gemerkt, wie wertvoll die Zeit ist, die man zu leben hat.

Steckbrief

Judi Dench.
Geboren 1934 in England. Die vielfach ausgezeichnete Theaterschauspielerin war Ensemblemitglied der Royal Shakespeare Company und hatte ihr Kinodebüt bereits 1964 („The Thrid Secret“). In den James-Bond-Filmen war sie von 1995 bis 2012 als Chefin M zu sehen. 1999 erhielt sie für ihre Rolle als Elizabeth die Große in „Shakespeare in Love“ den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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