Wegen der angespannten Lage heben viele Ukrainer ihre Ersparnisse von den Banken ab. Die Bank Austria schränkte am Montag die Geldabhebungen in der Ukraine ein.
Wien. Seit Tagen appelliert die ukrainische Zentralbank an die Bürger, dem Bankensystem zu vertrauen und die Konten nicht zu räumen. Doch nicht alle halten sich daran. Am Montag schränkte die Ukraine-Tochter der Bank Austria die Geldabhebungen ein. Pro Tag können Kunden am Bankomaten nur noch 1500 Hrywnja (rund 112 Euro) abheben.
Kunden von anderen Instituten, die in der Ukraine einen Bankomaten der Bank Austria nutzen, erhalten nur noch 500 Hrywnja (rund 37 Euro). Die Regelung sei vorübergehend und werde aufgehoben, sobald sich die Lage beruhigt, heißt es. Die Nationalbank in Kiew bat alle Banken des Landes, ähnliche Vorkehrungen zu treffen.
In der Vorwoche wurde bekannt, dass bei allen ukrainischen Banken innerhalb von drei Tagen umgerechnet über 2,2 Milliarden Euro abgehoben wurden. Das waren rund sieben Prozent aller Bankeinlagen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Lage im Zuge der Krim-Krise verschärft hat. Die Turbulenzen haben auch Auswirkungen auf Österreichs Banken. Denn diese sind in der Ukraine von großer Bedeutung. Raiffeisen ist in dem Krisenland die größte Auslandsbank. Die Giebelkreuzer sind dort mit 800 Filialen und 13.000 Mitarbeitern vertreten. Sie betreuen drei Millionen Kunden.
Auch die Bank Austria kommt in der Ukraine auf ein Geschäftsvolumen von 3,3 Milliarden Euro und 435 Niederlassungen. Glück hatte die Erste Bank. Sie zog sich im Vorjahr aus dem Land zurück. Das Ukraine-Abenteuer bescherte der Erste Bank jedoch einen Verlust von 300 Millionen Euro.
Bank Austria und Raiffeisen machen auch Geschäfte auf der Krim. Beide Banken betonten am Montag jedoch, dass alle Niederlassungen auf der Krim geöffnet haben. „Es gibt keine Schlangen vor der Raiffeisenbank Aval. Wir beobachten die Situation sehr genau, glauben aber, dass die Krise diplomatisch gelöst werden kann“, sagte Raiffeisen-Chef Karl Sevelda.
Berg an faulen Krediten
Trotzdem sind viele Investoren besorgt. Sie verkauften am Montag Aktien von jenen Banken, die besonders stark in der Ukraine engagiert sind. Die Aktie der Raiffeisen Bank International verlor am Nachmittag fast neun Prozent. Analysten äußerten die Befürchtung, dass auch das Russland-Geschäft in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
Die Raiffeisen-Tochter Aval hatte in der Ukraine zuletzt Kredite von 3,6 Milliarden Euro ausständig. Zudem besitzt das Institut umgerechnet 450 Millionen Euro an ukrainischen Staatsanleihen. Bei der Bank Austria beläuft sich das Kreditvolumen in der Ukraine auf 2,3 Milliarden Euro. Ein Teil davon dürfte verloren sein.
Schon vor der Krise gab es laut einer Raiffeisen-Studie bei 37,5Prozent aller in der Ukraine vergebenen Darlehen Probleme mit der Rückzahlung. Damit ist die Situation in keinem anderen osteuropäischen Land so schlimm wie in der Ukraine.
Raiffeisen stoppt Verkauf
Im Gegensatz zur Erste Bank haben es Raiffeisen und Bank Austria verabsäumt, sich rechtzeitig aus dem Krisenland zurückziehen. Die Giebelkreuzer begannen im Vorjahr mit den Verhandlungen über einen möglichen Verkauf der Tochterbank Aval. Damals sind zwölf Angebote eingelangt. Doch wegen der Unruhen musste der Verkaufsprozess jetzt gestoppt werden, wie Raiffeisen-Chef Karl Sevelda am Montag einräumte. Auch Federico Ghizzoni, Chef der Bank-Austria-Mutter UniCredit, hatte einst einen Rückzug aus der Ukraine angedeutet.
Internationale Ratingagenturen warnen vor einer Staatspleite der Ukraine. Ein möglicher Schuldenschnitt würde Raiffeisen und Bank Austria treffen. Auch die Entwicklung bei den faulen Krediten dürfte sich verschärfen. Denn die meisten ukrainischen Firmen und Privatpersonen haben sich in einer ausländischen Währung (meist in Euro oder US-Dollar) verschuldet. Sie zahlen die Kredite aber mit Einnahmen aus der Landeswährung Hrywnja zurück. Seit Jahresbeginn verlor die Hrywnja gegenüber dem US-Dollar rund 30 Prozent an Wert. Damit wird es für Privatpersonen und Firmen schwieriger, die in ausländischen Währungen aufgenommenen Darlehen zu tilgen. Das wirkt sich negativ auf die Bilanzen der österreichischen Banken aus. Zuletzt verabschiedeten sich zahlreiche internationale Finanzkonzerne wie die deutsche Commerzbank und die schwedische Swedbank aus der Ukraine. Nur die russischen Finanzinstitute wollen in dem Land bleiben. Das Engagement der russischen Banken in der Ukraine beläuft sich auf einige Milliarden US-Dollar.
AUF EINEN BLICK
Die Krise in der Ukraine trifft auch Österreichs Banken. Diese sind in der Ukraine eine Großmacht. Raiffeisen ist in dem Krisenland die größte Auslandsbank. Die Giebelkreuzer sind dort mit 800 Filialen und 13.000 Mitarbeitern vertreten. Sie betreuen drei Millionen Kunden. Die Bank Austria kommt in der Ukraine auf ein Geschäftsvolumen von 3,3 Milliarden Euro und 435 Niederlassungen. Beide Banken haben es verabsäumt, sich rechtzeitig aus dem Land zu verabschieden. Schon vor der Krise gab es bei 37,5 Prozent aller in der Ukraine vergebenen Kredite Probleme mit der Rückzahlung. Die Situation dürfte sich nun verschärfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2014)