Pop

Johnny Cash braucht kein Theater

Elvis Costello
Elvis Costello (c) EPA
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Elvis Costello hat einen Remix eines erst jetzt veröffentlichten Songs angefertigt. Er versieht die Stimme des toten Meisters mit Dramaturgie. Das ist überflüssig.

„Because you're mine I walk the line.“ In seinem berühmtesten Refrain sagte Johnny Cash das Wichtigste, was er den Buben zu sagen hatte: Sei edel, hilfreich und gut, sonst läuft dir die Liebe davon. Seine bittersten Songs zeigen, was passiert, wenn die Liebe davongelaufen ist. Dann wird es düster, der einsame Sünder muss wieder gen Westen ziehen, zum Outlaw werden, ihm bleibt nur der Blick zurück: „She used to love me a lot.“

So heißt auch einer der Songs auf dem Album, das nun, über zehn Jahre nach Johnny Cashs Tod, veröffentlicht wird: „Out Among The Stars“ enthält zwölf kürzlich entdeckte Studioaufnahmen, darunter auch Duette mit June Carter Cash und Waylon Jennings, aus den Jahren 1981 und 1984.

Das war lange vor der Cash-Renaissance in der distinguierten Welt des sogenannten Independent Pop: 1991 produzierte Rick Rubin das erste Album der „American Recordings“-Serie, mit der er den großen Schwarzträger des Country in purer, ja: puritanischer Form präsentierte, entkleidet aller üppiger Nashville-Arrangements, ohne Geigen, ohne Fett, nur ein Mann mit seiner Stimme und seiner Gitarre, gefangen in Schuld, dürstend nach Erlösung. Dass dieses Projekt einschlug, war klar: Es war die Zeit, in der die Düstermänner des Post-Punk sichtbar und hörbar zu altern begannen. Und hier stand einer, der schon alt war, als diese noch jung waren: das übermächtige Vorbild von Nick Cave etwa, der ja all seine Beschwörungsformeln von Johnny Cash (und Leonard Cohen) übernommen und nur mit ein wenig Heroin-in-Berlin-Chic bearbeitet hatte. Dem Bekenntnissong „The Singer“ von Johnny Cash z.B. konnte er nichts hinzufügen, und zu seiner Ehrenrettung muss man sagen: Er tat auch nicht so, als ob er's könnte.

Und was hat Elvis Costello, die ewige Hornbrille des Streber-Wave, jetzt getan? Er hat in einem (bereits erschienenen) Remix „She Used to Love Me a Lot“ als Country-Geisterbahn arrangiert, mit zitternden Gitarren, schauriger Lied-vom-Tod-Mundharmonika und dumpf-düsterem Beat. An einer Stelle heult sogar ein Geist aus der Sounds-Bibliothek, aber auch jeder andere Ton dieses Arrangements schreit: Alle mal herhören, was für ein Drama! Im Grunde tut Elvis Costello hier, was John Cale einst mit „Heartbreak Hotel“ tat, nur viel ungeschickter: Er beschwört Dämonen, die längst da sind. Und vertreibt sie so beinahe – in diesem schlechtesten Remix seit „Stars On 45“. Dann schon lieber Nashville!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2014)

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