Energie: Jammern, aber kassieren

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Europas Stahlbranche verdiente – dank gratis CO2-Zertifikaten - bisher gut am strengen EU-Klimaschutz. Nur die Voestalpine zahlte drauf.

Wien. Im Lobby-Kampf gegen strengere Klimaziele in der EU bildet die Stahlindustrie auf dem Kontinent so etwas wie die Speerspitze der Gegner. Kein Wunder, schließlich hat die Branche bis dato noch keinen Weg gefunden, Stahl zu erzeugen, ohne dabei massiv Kohlendioxid in die Luft zu blasen. Beschließen die Staats- und Regierungschefs der EU dieser Tage also tatsächlich das Klimaschutzziel von minus 40Prozent CO2-Ausstoß bis 2030 (auf Basis 1990), müssten die Unternehmen eben aus Europa verschwinden, so die Drohung.

Doch sind die Klagen der Branche auch gerechtfertigt? Eine aktuelle Studie, die der „Presse“ vorliegt, spricht eine andere Sprache: In den vergangenen Jahren war der strenge Klimaschutz in der EU für die Stahlkonzerne demnach sogar ein Geschäft. 3,7 Milliarden Euro hätten die Branchengrößen ArcelorMittal, Tata, ThyssenKrupp und die Voestalpine in Summe verdient, errechnet das deutsche Institut für Zukunftsenergiesysteme.

Die harten Zeiten kommen erst

Grund dafür ist das CO2-Handelssystem, mit dem die EU versucht, klimaschädliche Emissionen mit einem Preisschild zu versehen. Für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid müssen Europas Industrieunternehmen demnach ein CO2-Zertifikat kaufen. So weit der Plan.

In der Realität wurden manche Branchen jedoch von ihren nationalen Regierungen regelrecht mit Gratiszertifikaten überschüttet. Auch die Stahlbranche hat für 2008–2012 deutlich mehr kostenlose Verschmutzungsrechte erhalten, als sie in den Rezessionsjahren ausgeben konnte. Die Folge: Überschüssige CO2-Zertifikate konnten – zumindest theoretisch – auf dem Markt zu gutem Geld gemacht werden. Vor allem Indiens ArcelorMittal und die deutsche ThyssenKrupp wären mit einem Plus von 2,2 Milliarden bzw. 900 Millionen Euro besonders gut ausgestiegen, heißt es in der Studie, die im Auftrag des grünen EU-Abgeordneten Claude Turmes erstellt wurde.

Nur die heimische Voestalpine kann sich nicht zu den Profiteuren des EU-Klimaschutzes zählen. Als einziges großes Stahlunternehmen hat der Konzern mit den CO2-Rechten Geld (45 Millionen Euro) verloren. Die Schuldigen muss Voest-Chef Wolfgang Eder nicht lange suchen: „Wir wurden von der damaligen Regierung 2008 unvergleichlich strenger behandelt“, sagt er. Während Indien und Deutschland ihre Konzerne großzügig bedacht haben, stand Österreich auf der Bremse. „Es ist makaber, wenn man als unbestrittener Branchenbester im Klimaschutz als Einziger bezahlen muss“, ärgert sich Eder.

Dabei steht der Voest die teuerste Zeit erst bevor. Von 2008 bis 2012 musste der Konzern nur für drei Prozent seiner Emissionen CO2-Rechte zukaufen. In der laufenden Handelsperiode bis 2020 dürfte der Anteil auf 28Prozent steigen. Und da die EU plant, das Angebot auf dem CO2-Markt um 900 Millionen Zertifikate künstlich zu verknappen, dürfte auch der Preis für die CO2-Rechte steigen. Die Konkurrenz sitzt derweil auf einem komfortablen Polster – aus Zertifikaten oder aus Geld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2014)

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