Plastik in Donau: Unfall vertuscht?

Umwelt. Chemiekonzern Borealis hat nach Kunststoffverlust „zuständige Behörden informiert“. Tatsächlich erfuhr man dort erst vier Monate später vom Ereignis – von jemand anderem.

Wien. Das am vergangenen Samstag von der „Presse“ aufgedeckte Plastikleck beim österreichisch-arabischen Chemiekonzern Borealis beschäftigt nun Bundesregierung, Opposition und Behörden. Und je tiefer man gräbt, desto eher entsteht der Eindruck, dass die Öffentlichkeit niemals davon erfahren sollte, dass das Unternehmen erhebliche Mengen Plastikrohstoff in den Fluss Schwechat, und damit auch in die Donau, geleitet hat.

Laut Angaben von Borealis führte am 6.Juli 2010 ein Starkregen dazu, dass das Abwassersystem am Standort Schwechat überlastet wurde, Kunststoffgranulat ging verloren. Wie viel, weiß niemand. Ebenfalls ungeklärt ist, wie viel Material die Anlage vor diesem Tag in die Umwelt spülte. Aber: „Die zuständigen Behörden wurden informiert“, hält das Unternehmen dazu schriftlich fest.

Doch daran bestehen Zweifel. Der Akt zum Ereignis liegt nämlich bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung. Aus der umfangreichen Dokumentation geht hervor, dass die Behörde erst am 3.November 2010, also vier Monate später, von dem Ereignis erfahren hat. Auf Nachfrage präzisiert der stellvertretende Bezirkshauptmann, Markus Gundacker: „Im Juli haben wir von dem Zwischenfall keine Meldung bekommen.“

Doch das ist noch nicht alles. Die Meldung aus dem November stammt nämlich nicht von Borealis, sondern von einem aufmerksamen Mitarbeiter des donauabwärts gelegenen Nationalparks Donau-Auen. Ihm waren große Mengen Kunststoffgranulat aufgefallen.

Im Akt steht allerdings auch, dass Borealis unmittelbar Maßnahmen gesetzt hat. Der Defekt in einer Abscheideanlage, die im Werk das Abwasser vom Kunststoff trennen soll, wurde behoben, korrodierte Stellen im Kanalsystem wurden saniert. Im Dezember 2011 legte der mit den Arbeiten betraute Baukonzern Strabag den dazugehörigen Endbericht vor. Für die Bezirkshauptmannschaft war die Sache damit erledigt.

Warum die Öffentlichkeit erst durch den „Presse“-Bericht davon erfuhr? Rein rechtlich besteht keine Informationspflicht. Auch jene Länder, die donauabwärts liegen, erhielten keine Information darüber, dass Kunststoffgranulat in den Fluss und in die Nahrungskette gelangte. Die kleinen Plastikteilchen werden von Fischen und Vögeln häufig mit Nahrung verwechselt.

Messstellen geplant

Im Umweltministerium fühlt man sich für die Sache nicht unmittelbar zuständig, verweist auf die Abteilung Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich, die sich den Fall mit der BH Wien-Umgebung teilt. Ebendort nimmt man die Sache ernst. Zwar betrachtet Dienststellenleiter Ludwig Lutz das Problem am Borealis-Standort Schwechat als saniert, dennoch wolle man klären, woher das nach wie vor vorhandene Plastikgranulat stamme. Das Gleiche gelte für den ebenfalls festgestellten Plastikmüll aus weggeworfenen Endprodukten. Gemeinsam mit dem Land Oberösterreich arbeite man an behördlichen Messungen in der Donau. Eine Messstelle soll an der Grenze zu Deutschland entstehen, die andere, bevor der Fluss in die Slowakei fließt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2014)

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