Afghanistan: Tödliche Anschläge überschatten Wahl

Erste Gewalt bei Präsidentenwahl in Afghanistan
Erste Gewalt bei Präsidentenwahl in AfghanistanReuters (Mohammad Ismail)
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12 Millionen Afghanen sind aufgerufen, einen Nachfolger von Präsident Karzai zu wählen. Die radikal-islamischen Taliban versuchen, diesen ersten demokratische Machtwechsel zu torpedieren.

Überschattet von Anschlägen hat am Samstag in Afghanistan die Präsidentenwahl begonnen. Die Bürger des Landes bestimmen einen Nachfolger für Staatschef Hamid Karzai, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Die radikal-islamischen Taliban haben angekündigt, die Abstimmung mit Gewalt zu torpedieren. Es wird nicht mit einem schnellen Ergebnis gerechnet.

Als Favoriten gelten die früheren Minister Abdullah Abdullah, Ashraf Ghani und Salmai Rassul. Wegen des Andrangs und der verspäteten Öffnung von Wahlzentren wurde deren Schließung um eine Stunde auf 17.00 Uhr (Ortszeit/14.30 Uhr MESZ) verschoben, wie die Unabhängige Wahlkommission (IEC) am Samstagmittag mitteilte. In mehreren Wahlzentren seien die Stimmzettel ausgegangen, die aus den jeweiligen Provinzhauptstädten nachgeliefert werden sollten.

Zwei Polizisten nahe Wahllokal getötet

Bei einem Bombenanschlag in der Nähe eines Wahllokals in der südlichen Kleinstadt Kalat wurden den Behörden zufolge zwei Polizisten getötet und zwei weitere verletzt. Die Behörden teilten mit Blick auf die Provinzen mit, in Badghis sei ein Wähler getötet worden. Bei einer Explosion in der südöstlichen Provinz Logar wurden zudem vier Menschen teils schwer verletzt. Polizeiangaben zufolge wurde in einem anderen Landesteil ein potenzieller Attentäter verhaftet. Ein Anschlag verfehlte zudem sein Ziel. Vize-Innenminister Mohammad Ayub Salangi sagte: "Landesweit wurden Dutzende Aufständische durch afghanische Sicherheitskräfte getötet."

Es wird damit gerechnet, dass die Wahl weniger chaotisch als 2009 abläuft. Damals trauten sich viele Menschen wegen der Gewalt nicht zur Wahl. Hinzu kamen Vorwürfe, dass Votum sei massiv zugunsten Karzais verfälscht worden.

Erster demokratischer Machtwechsel

Es ist für Afghanistan der erste demokratische Machtwechsel in der Geschichte des Landes. Experten gehen davon aus, dass in der ersten Runde kein Kandidat eine Mehrheit von über 50 Prozent bekommt und damit eine Stichwahl am 28. Mai nötig wird. Das Endergebnis der ersten Runde soll am 7. Mai verkündet werden. Wegen der schwierigen Machtverhältnisse könnte es nach Einschätzung von Diplomaten aber bis Oktober dauern, ehe der neue Präsident sein Amt antritt. Nach zwölf Jahren dürfte Karzai aber auch künftig noch großen Einfluss haben, weil viele Politiker loyal zu ihm sind.

Reuters (Mohammad Ismail)

Die Taliban hatten bereits im Vorfeld versucht, die Abstimmung mit Anschlägen zu verhindern. Dies zeigt, wie prekär die Lage auch 13 Jahre nach dem Einmarsch der US-geführten Truppen und dem Sturz der Taliban noch ist. Erst am Freitag war bei einem Angriff im Osten des Landes eine renommierte deutsche Kriegsfotografin getötet worden.

Hunderttausende Sicherheitskräfte im Einsatz

Mehr als 350.000 Soldaten und Sicherheitskräfte sind im Einsatz, um Anschläge zu verhindern. Rund um die Hauptstadt Kabul gibt es Absperrungen und Verkehrskontrollen. Trotzdem wird wegen der schlechten Sicherheitslage voraussichtlich mindestens jedes zehnte Wahllokal geschlossen bleiben. Die meisten ausländischen Beobachter haben das Land verlassen.

Von den 30 Millionen Afghanen sind zwölf Millionen wahlberechtigt. Es sollen allerdings bis zu 18 Millionen Wahlscheine im Umlauf sein. Innenminister Umer Daudzai und Wahlkommissionsleiter Yusaf Nuristani riefen ihre Landsleute trotz der Gewalt zu einer regen Wahlbeteiligung auf. Das afghanische Volk solle den Feinden des Landes die Stirn bieten und mit der Wahl beweisen, dass es sich durch nichts aufhalten lasse. Ähnlich äußerten sich viele Bürger. "Ich bin hier, um zu wählen und habe keine Angst vor Anschlägen", sagte Hadschi Ramasan aus Kabul. "Das ist mein Recht und niemand kann mich davon abhalten."

Der neue Präsident des Landes steht vor gewaltigen Herausforderungen. Denn die Verhandlungen mit den Taliban über eine Einbindung in den Friedensprozess liegen seit längerem auf Eis. Außerdem blüht die Korruption. Der Drogenanbau ist auf dem Vormarsch. Wirtschaftlich kommt das Land nicht auf die Füße, Investoren halten sich dementsprechend zurück

(APA/dpa)

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