Studie: Österreichs Politik ist träge und reformunfähig

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Politik, Reform(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Laut einer Bertelsmann-Studie hinkt Österreich bei seiner Migrations-, Bildungs- und Pensionspolitik vielen EU-Ländern hinterher.

Berlin/Wien. „Ein konsensgeprägtes System wie in Österreich hat viele Vorteile, doch es ist schwierig, darin grundsätzliche Reformen anzustoßen.“ Mit diesem Satz bringt der Projektleiter einer neuen Bertelsmann-Studie, Daniel Schraad- Tischler, das Problem auf den Punkt. Von 41 untersuchten EU- und OECD-Ländern kam Österreich in einem Ranking zur Zukunftskompetenz nur auf Platz 19 hinter Konkurrenten wie Belgien oder Tschechien. Hauptgrund ist die Reformunfähigkeit des Landes.

Untersucht wurden von mehr als 100 Experten der ökonomische, soziale und ökologische Reformbedarf. In Österreich trugen vor allem Defizite im Bildungssystem, beim Pensionssystem und bei der Integration von Zuwanderern zur schlechten Beurteilung bei. In allen diesen Bereichen ist es der Regierung nicht gelungen, notwendige Änderungen einzuleiten. Beim Aspekt der „Steuerungsfähigkeit der Regierung“ kommt Österreich denn auch nur auf Platz 26. Einen Grund sehen die Bertelsmann-Experten in starken „Vetospielern“, die das politische System des Landes paralysieren. Dass es der Regierung nicht gelungen ist durchzugreifen, liege aber auch an der Struktur der Verantwortungsaufteilung. „Fachressorts haben eine große Autonomie, während das Kanzleramt nicht über starke strategische Planungs- und Koordinationskapazitäten verfügt.“

Die Studie weist zwar auf die stabile Wirtschaftssituation hin, bemängelt aber Defizite bei wichtigen Zukunftsthemen. Das Bildungssystem schaffe es nicht, das vorhandene Potenzial im Land zu entfalten. Schraad-Tischler kritisiert im Gespräch mit der „Presse“ „die frühe Selektion der Kinder im mehrgliedrigen Schulsystem“. Außerdem müsste Österreich mehr Universitätsabsolventen hervorbringen als derzeit. Bei der Performance des Bildungssystems kommt Österreich deshalb nur auf Platz 29 aller 41 untersuchten Länder. Nach wie vor, so der Bertelsmann-Experte, spiele in Österreich die soziale Herkunft bei den Bildungschancen eine zu große Rolle. Mängel gebe es auch bei der frühkindlichen Bildung.

Wenig Chancen für Migranten

Ein weiteres Defizit hat Österreich bei seiner Migrationspolitik. Hier hinkt das Land mit Platz 32 noch deutlich den anderen europäischen Ländern hinterher. Grund ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund weit schlechtere Chancen im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt vorfinden als in vielen vergleichbaren Ländern. Die Studienautoren kritisieren, dass die Österreicher nicht erkannt hätten, dass ihr Land angesichts des demografischen Wandels auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen sei. Die Autoren appellieren hier auch an die Regierung, „Populismus und ausländerfeindliche Ressentiments vonseiten der politischen Rechten“ energischer entgegenzutreten.



Eine weitere offene Baustelle ist das Pensionssystem. Notwendige Reformen, wie die Erhöhung des tatsächlichen Eintrittsalters in den Ruhestand, seien nicht ausreichend umgesetzt worden. Die Studienautoren sehen auch hier eine politische Blockade.

Von allen untersuchten Ländern schnitt Schweden am besten ab, Griechenland kam trotz jüngster Reformbemühungen auf den letzten Platz. Im Ranking, das aus 136 Kriterien besteht, wird nicht nur der Reformbedarf bei staatlichen Aufgaben erhoben, es werden zudem Wirtschafts- und Arbeitslosendaten eingerechnet. Besonders schlecht schnitten die USA ab (Rang 28). Hier orteten die Autoren schwere Defizite in der Umwelt- und Haushaltspolitik. Außerdem gehe die Wohlstandskluft im Land auseinander. „Die USA nennen sich zwar das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In Wirklichkeit haben aber nicht alle dieselben Chancen, die Polarisierung der Gesellschaft nimmt zu“, so Schraad-Tischler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2014)

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