Jauchzen im Burgenland: Garish „wieder bei null“

Thomas Jarmer
Thomas Jarmer (c) ORF (Hans Leitner)
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Die burgenländische Band Garish hat mit ihrem neuen Album die Leichtigkeit entdeckt. Sänger Thomas Jarmer über Scham und Renovieren.

Kann man mit einer Landkarte von Großlondon das Leithagebirge durchwandern? Mit anderen Worten: Wie findet man sich als Österreicher im Popuniversum seinen Platz? Die aus der Gegend um Mattersburg stammende Band Garish verschwendete nicht viel Zeit auf egozentrische Visionen. Die fünf Burschen der seit 17 Jahren bestehenden Kombo wollten der Realität einfach nicht vorgreifen. „Es kostet in dieser Branche schon sehr viel Nerven, um seine Sache überhaupt auf den Punkt zu bringen“, sagt Sänger und Texter Thomas Jarmer nachdenklich.

Er trägt (fast) erwartungsgemäß einen Vollbart. Dieses haarige Insignium ist gleichermaßen Kennzeichen für den Hipster wie für den leicht verschrobenen Außenseiter. Dabei verbirgt Jarmer längst nicht mehr so viel wie einst. Zu Beginn wollte er das eigene Ego auf die Bühne stellen, traute sich aber dann doch nicht. Alles Persönliche wurde sorgfältig getarnt. Auf dem zart federnden Meisterwerk „Trumpf“ regieren hingegen sanfte Ironie und Themen, die in fremden Psychen lodern.

Statt sich in Melancholie zu suhlen, wagte Jarmer das Wechselspiel von Lächerlichkeit und Ernsthaftigkeit. Etwa im schön eckig groovenden Song „Ganz Paris“, der an John Cale gemahnt. „Da geht es um ein Jubeln und Jauchzen, um ein Sich-gehen-Lassen auf unsicherem Terrain. Letztlich tickt man ja doch immer anders, als man erzogen wurde.“ Im Opener „Zweiunddreißig Grad“ ist sehr viel vom katholischen Gefühl der Scham die Rede. Auf gewisse Art sei dieses Lied das Glaubensbekenntnis einer Band, die nach all den Jahren bei jedem Album immer noch bei null beginnen muss.

„Viel Ambition, wenig Substanz“

„Wir starteten wieder einmal mit viel Ambition und wenig Substanz“, gesteht Jarmer. Immer einen neuen Punkt zu finden, von dem aus es sich aufzubrechen lohnt, zählt zum Credo der Band. „Wiederholung ist einfach unsexy“, sagt Jarmer, der die musikalische Leichtigkeit mit der ihm eigenen Schwere sucht.

Simple Zerstreuung mag er nicht. Weder überwindet er die Gravitation mittels Kite-Surfen auf den großen pannonischen Wassern, noch beamt er sich mithilfe von Literatur aus der Realität. Ein gewisses Faible hegt er für das Reparieren und Renovieren. „Der Gedanke der Wiederverwertung ist mir schon sehr nah.“ Konsumverweigerer ist er aber nur beinahe. Der Beruf bringt schließlich einige materielle Notwendigkeiten mit sich. Nein, dieser Mann braucht keinen Chevrolet Impala, der Opel Astra aus den Neunzigern reicht.

Aber gewissen Exzentrizitäten kann er sich bei allem Lob für einen reduzierten Lebensstil nicht verschließen. „Es gibt immer wieder kuriose Instrumente, deren Klangerzeugungsspektrum beschränkt ist und die man auch nicht amtlich spielen kann, die ich mir trotzdem unbedingt anschaffen muss.“ Das mag an seiner musikalischen Sozialisierung liegen, die irgendwo zwischen dem schlagerparadiesischen „Wunschkonzert“ von Radio Burgenland und heftiger Zuneigung für Heavy Metal und Grunge passiert ist. Anders als Ja, Panik, den Kollegen aus der Gegend um Neusiedl, die längst nach Berlin übersiedelt sind, war es Garish nicht möglich, sind endgültig von der heimatlichen Scholle abzusetzen. Für jedes neue Album begeben sie sich wieder in denselben abgeschabten, burgenländischen Proberaum. „Konzeption ist etwas Tödliches im kreativen Bereich“, sagt Jarmer und verweist auf den Vorteil der semiprofessionellen Grundierung der österreichischen Szene. „Gerade weil man nicht ganz davon leben kann, nimmt man sich alle gestalterische Freiheiten. Die deutschen Bands sind viel formelhafter, haben total festgelegte Images.“

Zum heimischen Musikpreis Amadeus, von dem sich zuletzt einige Musiker distanziert haben, haben sie ein neutrales Verhältnis. „Er ist schon okay, gäbe es ihn nicht, würde noch mehr gemeckert werden. Ein gewisser Wahnsinn ist einfach dem österreichischen Areal geschuldet.“

ZUR PERSON

Thomas Jarmer ist Texter und Sänger von Garish, außerdem ist er Grafiker und komponiert Filmmusik (u.a. für Elisabeth Scharangs „Vielleicht in einem anderen Leben“). Neben Kreisky und Ja, Panik gelten Garish, 1997 noch im Teenageralter in der Gegend um Mattersburg gegründet, als eine der wichtigsten österreichischen Indie-Pop-Bands. Mit ihrem neuen Album, „Trumpf“, spielen die fünf Burgenländer derzeit in Österreich und Deutschland: heute, Mittwoch, in Graz im PPC und morgen, 10.April, im Wiener WUK.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2014)

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