Deutsches Gericht: Schwarzgeld macht Bauvertrag nichtig

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Steuerbetrug (c) APA/dpa/Rolf Vennenbernd (Rolf Vennenbernd)
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Eine deutsche Baufirma kassierte einen Teil des Werklohns schwarz. Der Vertrag sei damit hinfällig, entschied der Bundesgerichtshof. Wie wäre das in Österreich?

Wien. Dass bei einem Bauvertrag vereinbart wird, einen Teil des Werklohns schwarz zu zahlen, soll nicht so selten vorkommen. In Deutschland haben solche Nebenabreden – abgesehen vom finanzstrafrechtlichen Risiko– jetzt auch gravierende zivilrechtliche Folgen: Sie machen den gesamten Bauvertrag nichtig, entschied vor Kurzem der deutsche Bundesgerichtshof.

Im Anlassfall ging es um einen Rechtsstreit wegen Baumängeln. Der Handwerker klagte auf den Werklohn, der Bauherr rechnete den ausständigen Betrag mit den Kosten für die Beseitigung der Mängel auf und verlangte dafür zusätzlich noch weiteres Geld. Laut dem Urteil (1 U 24/13) gehen nun beide leer aus: Dem Handwerker steht kein Entgelt zu, der Bauherr hat keine Gewährleistungsansprüche. Die beiden hatten nämlich abgemacht, dass nur für einen Teil des Entgelts eine Rechnung ausgestellt werden sollte. Deshalb ist laut BGH der gesamte Vertrag so zu behandeln, als wäre er nie geschlossen worden. Keine der beiden Seiten hat Rechtsansprüche daraus – ungeachtet der Tatsache, dass das Gebäude jetzt auf dem Grundstück steht.

Judikaturwende im Vorjahr

Schon im vergangenen Sommer entschied der BGH ähnlich (VII ZR 6/13), allerdings in einem Fall, in dem der gesamte Werklohn schwarz gezahlt werden sollte. Er stützte dieses Urteil auf das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung: Das darin enthaltene Verbot führe jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich dagegen verstoße und der Bauherr den Verstoß kenne und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutze. Laut Andreas Koenen, Rechtsanwalt in Deutschland und Lehrbeauftragter für Baurecht an den Universitäten Duisburg-Essen und Marburg, vollzog der deutsche Gerichtshof damit eine Wende in der Rechtsprechung: Noch im Jahr 2008 hatte er entschieden, ein Bauherr könne Gewährleistungsansprüche trotz einer Schwarzgeldabrede erfolgreich durchsetzen (VII ZR 42/07).

Dass Schwarzgeldabreden Verträge nichtig machen, sei rechtspolitisch durchaus gewollt, sagt Koenen. Vor allem soll das wohl den Unternehmer abschrecken: Denn steht das Haus erst einmal auf dem Grundstück des Bauherrn, gehört es ihm auch – der Bauunternehmer fällt aber um sein Entgelt um. „Lediglich Sachen, die nicht fix eingebaut sind, könnte sich die Baufirma wohl wieder zurückholen“, sagt Paul Schmidinger, Baurechtsexperte bei Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte. Aber auch der Bauherr riskiert viel – nicht nur, wenn es Baumängel gibt, sondern auch, wenn er im Voraus eine Anzahlung geleistet hat. All das betrifft allerdings bislang „nur“ unser westliches Nachbarland – und damit österreichische Unternehmer nur dann, wenn sie dort tätig werden. Könnten aber österreichische Gerichte bald eine ähnliche Judikaturwende vollziehen? Wohl kaum, sagen Rechtsexperten. „In Österreich ist die Rechtslage anders“, erklärt Schmidinger. „Eine Spezialnorm gegen Schwarzarbeit wie in Deutschland haben wir hier nicht.“

In Österreich Bauvertrag gültig

Zwar verstößt eine Schwarzgeldabrede auch in Österreich gegen eine ganze Reihe von Gesetzen: das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Umsatzsteuer- und das Einkommensteuer- beziehungsweise Körperschaftsteuergesetz. Diese Abrede als solche wäre deshalb auch in Österreich nichtig. Der Bauvertrag selbst allerdings nicht, sagt Schmidinger – denn es sei im Normalfall davon auszugehen, dass es dabei primär um Leistung und Gegenleistung geht und nicht um das Zahlen ohne Rechnung. Somit bleibe der Hauptinhalt des Vertrags wirksam. Aber: „Wenn man aufgrund eines solchen Vertrags etwas gerichtlich ausstreitet, fliegt die Abgabenhinterziehung auf.“ Das trifft dann beide Seiten, den Unternehmer wie auch den Auftraggeber.

Steuerrechtsexperte Hanns F. Hügel, Rechtsanwalt und Professor an der Uni Wien, sieht das ähnlich. „Zwar judiziert der OGH, dass Verstöße gegen Strafrechtsnormen – anders als Verstöße gegen Verwaltungsstraftatbestände – in der Regel auch Verstöße gegen gesetzliche Verbote im Sinn des § 879 Abs. 1 ABGB sind (dort ist die Nichtigkeit von Verträgen bei Verletzungen gesetzlicher Verbote normiert, Anm.)“, sagt er. Diese Judikatur sei jedoch nicht zu Schwarzgeschäften ergangen.

Auch im österreichischen Schrifttum werde die Frage, soweit ersichtlich, nicht behandelt. Da aber das Steuerrecht völlig unstrittigerweise auch Gewinne aus verbotenen Geschäften besteuert – insbesondere auch aus solchen, die strafrechtlich verboten sind–, „kann man unseres Erachtens auch aus der Verletzung der Bundesabgabenordnung keineswegs die Nichtigkeit des fraglichen Geschäfts ableiten“, so Hügel. „Hinzu kommt: Der Verbotsverstoß betrifft ja nicht den Abschluss des Rechtsgeschäfts.“ Sondern die Parteien vereinbaren bloß – meist zu beiderseitigem Nutzen –, das Geschäft nicht zum Gegenstand von Steuererklärungen etc. zu machen. Hügels Fazit: Es sei davon auszugehen, „dass nach österreichischem Recht keine Nichtigkeit vorliegt“.

Risiko für Architekten

In Deutschland hat die dort so gewollte Nichtigkeit übrigens zum Teil recht kuriose Folgen. So könnte laut Koenen beispielsweise ein als Bauleiter bestellter Architekt zum Handkuss kommen, wenn Bauunternehmer und Bauherr eine Schwarzgeldabrede getroffen haben. Unter bestimmten Voraussetzungen – wenn er seine Bauaufsicht vernachlässigt hat – könnte der Architekt der Einzige sein, der dem Bauherrn für Schäden durch schlampige Bauausführung haftet. Denn sein Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn ist ja trotz allem wirksam. Koenen warnt deshalb Architekten davor wegzuschauen, wenn Bauherr und Baufirma zweifelhafte Nebenabreden treffen. Ungeachtet der anderen Rechtslage in Österreich ist das auch hierzulande wohl kein schlechter Rat.

AUF EINEN BLICK

Deutschland. Wenn Bauunternehmen und Kunde vereinbaren, dass auch nur ein Teil des Werklohns schwarz gezahlt werden soll, wird der gesamte Bauvertrag nichtig, entschied kürzlich der deutsche Bundesgerichtshof. Schon vorher hatte er in einem Fall, in dem das gesamte Entgelt ohne Rechnung bezahlt wurde, ebenfalls Nichtigkeit festgestellt. Laut einem deutschen Anwalt bedeutet das eine Judikaturwende – trotz unveränderter Rechtslage sah das Gericht das früher anders.

Österreich. Könnten Gerichte hierzulande in solchen Fällen ähnlich entscheiden? Rechtsexperten verneinen das: Die Rechtslage sei unterschiedlich, denn bei uns gibt es kein eigenes Spezialgesetz dafür. Zwar sind Schwarzgeldabreden auch in Österreich verboten und nichtig, der Bauvertrag selbst bleibt aber trotzdem wirksam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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