Merkel in USA: Not schafft Vertrauen

(c) APA/EPA/JERRY LAMPEN / POOL (JERRY LAMPEN / POOL)
  • Drucken

Deutschland. Der gemeinsame Gegner Putin schweißt zusammen. Der NSA-Skandal ist beim Treffen mit Obama kaum noch Thema.

Berlin. Der Zauber ist verflogen, bei diesem 24-Stunden-Besuch Angela Merkels in Washington. Die Kanzlerin wird nicht mehr, wie 2009, vor dem Kongress vom „American Dream“ als ihrem Lebensideal schwärmen. Der US-Präsident wird ihr keinen Orden verleihen, wie im Sommer 2011 im Rosengarten des Weißen Hauses. Die Begeisterung der Deutschen für ihren einstigen politischen Messias Obama ist breiter Ernüchterung gewichen. Die Abhöraffäre hat das Vertrauen in den Partner jenseits des Atlantik nachhaltiger erschüttert, als es die Amerikaner wahrhaben wollen.

Und doch sind der mächtigste Mann und die mächtigste Frau der Welt zu neuem Vertrauen verdammt. Der gemeinsame Gegner Putin zwingt zu Einigkeit. Washington weiß: Der Westen kann die Aggressionspolitik des russischen Präsidenten nur stoppen, wenn die USA und Europa mit einer Stimme sprechen. Merkel wird als wichtigste Akteurin in der EU gesehen, und das nicht mehr nur in der Eurokrise. Obama will die Kanzlerin daher in den vier gemeinsamen Stunden am Freitag, im Oval Office und beim Lunch im Cabinet Room, zu den schärferen Sanktionen überreden, mit denen Außenminister Kerry am Mittwoch gedroht hat.

Sie sollen ganze Sektoren der russischen Wirtschaft treffen: Energie, Finanzbranche und Militärindustrie. Merkel wird bremsen, auf die schwierigen Abstimmungsprozesse in der EU verweisen und auf wirtschaftliche Verflechtungen, die viel stärker sind als jene der USA.

„Feigheit vor dem Freund“

Da bleibt wenig Zeit für den Schutz der Deutschen vor der Spionage-Allmacht der NSA. „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“, hatte Merkel erbost postuliert, als sie erfuhr, dass der US-Geheimdienst bei ihren eigenen Handygesprächen mithört. Aber die nüchterne Pragmatikerin hat den Fall zu den Akten gelegt. Sie selbst wird nicht mehr bespitzelt. Ein No-Spy-Abkommen lehnt Obama ab, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Die schwachen Fesseln, die er den Agenten nun anlegt, betreffen nur den Schutz der eigenen Bürger.

Weitere Zugeständnisse wird es nicht geben, haben deutsche Diplomaten schon vor dem Besuch illusionslos klar gemacht. Die Grünen werfen der Kanzlerin deshalb „Feigheit vor dem Freund“ vor. Besonders ärgert die Opposition der Kniefall in Sachen Snowden. Just am Freitag gibt die Regierung bekannt, dass sie eine Ladung des Aufdeckers zum NSA-U-Ausschuss in Berlin ablehnt – aus Rücksicht auf die USA, die dann sofort seine Auslieferung fordern würden. Somit kann der Whistleblower nur per Videokonferenz oder im russischen Exil befragt werden.

Immerhin hat die Kanzlerin auch ein Projekt im Reisegepäck, das den Riss in den transatlantischen Beziehungen aus eigenem Willen und Antrieb kitten könnte. Vor der Handelskammer will sie für das Freihandelsabkommen TTIP werben. Merkel hatte es 2005 mit erdacht. Die Exportmacht Deutschland würde vom Abbau der Barrieren zum zweitwichtigsten Handelspartner besonders stark profitieren. Bei Wirtschaftsthemen sind die Amerikaner nun eher bereit, auf Merkel zu hören: Die US-Kritik an ihrer Spardoktrin ist seit dem Abflauen der Eurokrise nur noch leise zu vernehmen.

AUF EINEN BLICK

Merkel und Obama treffen am Freitag im Weißen Haus zusammen. Dominierendes Thema des Arbeitsbesuchs der deutschen Kanzlerin sind die Krise in der Ostukraine und schärfere Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Merkel will auch für das Freihandelsabkommen TTIP werben. Nicht am Programm stehen hingegen deutsche Forderungen oder amerikanische Zugeständnisse im NSA-Abhörskandal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.