Medizinethik.

Richtlinien für die tägliche Praxis

Ärzte und andere in der Medizin tätige Personen sind oft vor in ethischer Hinsicht schwierige Entscheidungen gestellt.
Ärzte und andere in der Medizin tätige Personen sind oft vor in ethischer Hinsicht schwierige Entscheidungen gestellt. Getty Images
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Auch wenn nicht immer explizit ausgewiesen, wird im Medizinstudium zunehmend oft Ethik vermittelt. Dem Ruf nach einschlägiger Expertise wird durch spezialisierte Ausbildungen Rechnung getragen.

Sterbeverfügungen, In-vitro-Fertilisationen und Eizellenspende, künstliche Intelligenz in der Medizin: Der medizinische und gesellschaftliche Fortschritt wirft Fragen auf, bei denen die Antwortfindung nicht immer einfach ist. Sensibilisierung für ethische Belange bereits in der Ausbildung sowie professionalisierte Ethikberatung sollen medizinischem Personal dabei helfen.

Das Institut für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) der Universität Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese mannigfaltigen Entwicklungen kritisch zu begleiten. Forschungsthemen am Institut sind etwa Selbstbestimmung, Patientensicherheit oder Interkulturalität. Das IERM hält auch das Wahlfach Ethik in der Medizin an der Med-Uni Wien ab und veranstaltet Ringvorlesungen sowie Podiumsdiskussionen zum Thema.

Ethik in Studium integiert

Stefan Dinges ist klinischer Ethiker beim IERM: „Wir brauchen Medizinethik in der Ausbildung, nicht nur als einzelne Vorlesung, sondern auch immer wieder in den klinischen Prozessen.“ Im Curriculum der Med-Uni komme das Wort Ethik zwar nicht vor, sei aber trotzdem integraler, anwachsender Bestandteil derselben. Dinges zufolge ist eine medizinisch-ethische Behandlung die bestmögliche Behandlung: „Evidenz und medizinische Leitlinien definieren ethische Standards genauso wie die Gesellschaft durch Zuweisung finanzieller Mittel.“

Der Wille des Patienten spiele dabei eine gewichtige Rolle: „Die bestmögliche medizinische Behandlung ist, wenn sie gegen den Willen des Patienten durchgeführt wird, Körperverletzung“, erklärt der Experte. Dass der Wille des Patienten aber oft nicht greifbar sei, stelle eine Herausforderung für viele medizinische Teams dar, die diese immer öfter mithilfe eines Ethikberaters zu bewältigen versuchen.

An der Johannes-Kepler-Universität Linz können sich Personen aus Gesundheitsberufen sowie Juristen mit dem berufsbegleitenden Masterstudium Medizin- und Bioethik diesbezüglich spezialisieren.  „Das Besondere am Studium der JKU ist, dass der Bereich ethischer Fragen im Gesundheits- und Sozialwesen umfassend durchdrungen wird und seitens der Lehrenden und Studierenden einen hohen Praxisbezug aufweist“, sagt Herbert Kalb, Vorstand des Instituts für Kanonistik, Europäische Rechtsgeschichte und Religionsrecht.

Ein wesentliches Anliegen des Lehrganges sei die praxisnahe Vermittlung medizinethischen Wissens für den Berufsalltag. „Doch Ethik liefert weniger moralsichere Antworten, Lösungen und Vorgaben, sondern unterstützt dabei, selbst kritisch zu denken, zu entscheiden und zu handeln“, erklärt Jürgen Wallner, Leiter des Bereichs Ethik der Barmherzigen Brüder Österreich und Dozent an der JKU, und fügt hinzu: „In der Medizin gehört das zur Professionalität dazu, insofern sollte die Ethik darin einen fixen Ort haben, etwa in der klinischen Ethikberatung.“

Die Medizinische Fortbildungsakademie Oberösterreich (Medak) bietet in Zusammenarbeit mit der JKU die Ausbildung Ethikberatung im Gesundheitswesen an. Wallner wirkt auch dort als Dozent. Ihm zufolge kommen die Teilnehmenden der Ethikberatungsausbildung aus verschiedenen Berufsgruppen des Gesundheits- und Sozialwesens: „Ärztliche und pflegerische Personen bilden den größten Anteil.“ Aber auch Hebammen, Angehörige therapeutischer Berufe, der Psychologie, Sozialarbeit oder Seelsorge seien vertreten. „Eine wesentliche Aufgabe der Ausbildung ist es, die eigene Berufsperspektive zu überwinden und zu einer neuen, interprofessionellen Rolle als Ethikberater zu finden“, so Wallner.

Die Ethikberatung würde von den Absolventen meist zusätzlich zur angestammten Position ausgeübt.

Zeitbudget unverzichtbar

„Hier ist zumindest nötig, dass die Ethikberater die zeitlichen Ressourcen für diese neue Aufgabe genehmigt bekommen“, so Wallner. Es gebe bereits Gesundheitseinrichtungen, die dafür einen dezidierten Stundenanteil in der Personalbedarfsplanung berücksichtigen und die entsprechenden Ethikberatungsrollen im Stellenplan vorsehen. „Österreich ist auf dem Gebiet der institutionalisierten klinischen Ethikberatung jedoch eher noch ein Entwicklungsland“, sagt Wallner.

Seiner Einschätzung nach wird sich die Rolle der Ethikberater weiter professionalisieren: „Professionalisierung bedeutet in erster Linie, dass die fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen, um Ethikberatung durchzuführen, klarer, systematischer und effektiver gestaltet und entwickelt werden.“ Dazu zählten akkreditierte Ausbildungen und überprüfbare Zerti­fizierungen. „Solche Schritte sind in einem hochprofessionalisierten Umfeld wie dem Gesundheitswesen nötig und dienen der Qualität“, betont Wallner. „Immerhin hat die klinische Ethikberatung unmittelbaren Einfluss auf die Sorgequalität, denn enthusiastische Amateurhaftigkeit wäre in der klinischen Ethik ebenso ein Risiko wie in anderen Gesundheitsberufen.“

Berufspraxis und Ethikboards

Einen Zertifikatslehrgang Angewandte Ethik und Ethikberatung für Gesundheitsberufe hat auch die Karl-Landsteiner-Privatuni im Programm. Der zweisemestrige, berufsbegleitende Lehrgang richtet sich an Vertreter aller Gesundheitsberufe, die in ihrer Tätigkeit mit ethischen Fragestellungen konfrontiert sind. Entsprechend ist eine angeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsberuf Voraussetzung für die Zulassung – bereits einschlägige Berufserfahrung zu haben ist von Vorteil. Die Ausbildung im Ausmaß von insgesamt zehn ECTS-Punkten umfasst vier Module: Ethik, Organisation, Beratung und interprofessionelle Praxis. Die erworbenen Kenntnisse sollen in die Berufspraxis einfließen, zudem können die Absolventen ihr Know-how auch in den jeweiligen Organisationen, etwa in Ethikboards, anwenden.

Information

Ausbildungen zur Medizinethik:

Masterstudium Medizin- und Bioethik, JKU: www.jku.at/studium

Ausbildung Ethikberatung im Gesundheitswesen, Medizinische Fortbildungsakademie OÖ und JKU: www.medak.at

Lehrgang Angewandte Ethik und Ethikberatung für Gesundheitsberufe, zehn ECTS: www.kl.ac.at/de/weiterbildung

Podiumsdiskussionen etc., Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Uni Wien: www.ierm.univie.ac.at

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