Tarifstreit festgefahren

Beschäftigte der drei größten US-Autohersteller treten in den Streik

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(Archivbild)Reuters/BRYAN WOOLSTON
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Die Frist für Tarifverhandlungen ist ohne Ergebnis ausgelaufen, die „Big Three“ - General Motors, Ford und Stellantis - legen ihre Arbeit nieder. Der Arbeitskampf bringt auch US-Präsident Joe Biden in die Zwickmühle.

In den USA bestreikt die größte Autogewerkschaft UAW erstmals in ihrer Geschichte zeitgleich die „Big Three“ GM, Ford und die Stellantis-Marke Chrysler. Zwar waren am Freitag zunächst nur drei Werke mit 12.700 Beschäftigten betroffen. Die Gewerkschaft warnte aber, sollte es in den KV-Verhandlungen keine Einigung geben, könnte sich der Arbeitskampf zu einem der größten seit Jahrzehnten ausweiten: „Wenn wir aufs Ganze gehen müssen, werden wir das tun“, so UAW-Chef Shawn Fain.

Die Streiks sind der vorläufige Höhepunkt des Streits zwischen Fain und den Führungskräften der drei in Detroit ansässigen Autobauer. Dabei werden diese erstmals zeitgleich bestreikt, während früher oft mit nur einem Konzern verhandelt wurde und die anderen dann im besten Fall nachzogen. Ein kompletter Streik könnte jeden der drei Autobauer bis zu 500 Millionen Dollar (466 Millionen Euro) Gewinn kosten - pro Woche. Der bisherige Kollektivvertrag war in der Nacht zum Freitag ausgelaufen. Die Streiks werden zunächst die Produktion des Ford Bronco, des Jeep Wrangler und des Chevrolet Colorado sowie anderer beliebter und gewinnträchtiger Modelle zum Stillstand bringen.

Mehrere Forderungen

Im aktuellen Konflikt will die UAW für ihre Mitglieder einen größeren Anteil an den Gewinnen aus dem Geschäft mit Verbrenner-Fahrzeugen und mehr Arbeitsplatzsicherheit im Zuge der Umstellung auf E-Autos herausschlagen. Beim Geld haben die Hersteller ihre Angebote zwar nachgebessert und bieten nun bei einer Laufzeit von viereinhalb Jahren zwischen 17,5 und 20 Prozent mehr. Das ist aber nur rund die Hälfte dessen, was die UAW fordert. Zudem will die Gewerkschaft die gestaffelten Lohnsysteme abschaffen, bei denen neu eingestellte Arbeitnehmer erst nach acht Jahren auf das gleiche Gehaltsniveau wie altgediente kommen. Die UAW vertritt in dem Streik fast 150.000 Mitarbeiter - 57.000 bei Ford, 46.000 bei GM und 43.000 bei der Marke Chrysler, die zum europäischen Stellantis-Konzern gehört.

Fain erklärte, die UAW werde vorerst auf kostspieligere, unternehmensweite Streiks verzichten, halte sich aber alle Optionen offen. Der 54-Jährige, der oft aus der Bibel zitiert und sich bei der Wahl zum UAW-Chef nur knapp durchsetzen konnte, hat den Tarifstreit als Kampf um die Neuordnung der Kräfte zwischen Arbeitnehmern und globalen Unternehmen bezeichnet: „Wir kämpfen für das Wohl der gesamten Arbeiterklasse und der Armen“.

Allerdings muss auch die Gewerkschaft Augenmaß bewahren. Ihr Fonds, aus denen sie das Streikgeld für die Mitglieder bezahlt, ist mit 825 Millionen Dollar eher begrenzt. „Die UAW muss aufpassen, dass sie es nicht übertreibt“, schrieb Analyst Garrett Nelson von CFRA Research. „Die Bilanzen der Detroit Three strotzen nur so vor Bargeld, und sie können die Sache wahrscheinlich länger aussitzen als die Arbeiter.“

GM zeigte sich enttäuscht über die Streiks und kündigte an, die Verhandlungen fortzusetzen. Ein ranghoher GM-Manager hatte im Vorfeld gesagt, die UAW-Forderungen würden GM 100 Milliarden Dollar kosten. Das sei mehr als das doppelte des Börsenwerts des Konzerns und könne unmöglich kompensiert werden. Bei Ford hieß es, die jüngsten Vorschläge der UAW würden die Arbeitskosten in den USA verdoppeln und Ford wäre gegenüber Tesla und anderen nicht gewerkschaftlich organisierten Herstellern nicht mehr konkurrenzfähig. Stellantis teilte mit, das Unternehmen sei in einen „Notfallmodus“ versetzt worden. Man werde alles tun, um den Konzern und seine Betriebe in Nordamerika zu schützen. Was das bedeutet, ließ Stellantis offen.

Der seit Monaten schwelende Streit ist längst auch Thema in der Politik. US-Präsident Joe Biden, der sich im nächsten Jahr zur Wiederwahl stellt, hat beide Seiten zu einer Einigung aufgerufen und nach Angaben seines Büros mit der UAW sowie dem Management der Hersteller gesprochen. Laut „Washington Post“ bereitet die US-Regierung Nothilfen vor, um kleineren Zulieferern unter die Arme zu greifen, sollten sie unter den Streiks leiden. (APA/dpa/Reuters)

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