Junge Forschung

Holen wir bald Strom aus dem All?

Bekele Teklemariam von der Uni Linz liest und schaut gern Science-Fiction. Er forscht an Materialien, die unsere Zukunft verändern können.
Bekele Teklemariam von der Uni Linz liest und schaut gern Science-Fiction. Er forscht an Materialien, die unsere Zukunft verändern können.Hermann Wakolbinger
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Der Materialwissenschaftler Bekele Teklemariam entwickelt Solarmodule für Roboter und Satelliten. Weiches Material soll effizienter werden als harte Solarpanele. Seine Forschung klingt spacig.

„Zur Entspannung lese ich Science-Fiction-Bücher und gehe viel ins Kino, am liebsten Abenteuerfilme und Zukunftsszenarien“, sagt Bekele Teklemariam vom Institut für Experimentalphysik der Johannes Kepler Uni (JKU) Linz. Auch seine Forschung klingt nach Science-Fiction: In der Abteilung von Martin Kaltenbrunner (Physik weicher Materie) entwickelt er Solarpanele der Zukunft. Eine Vision sind weiche Solarzellen, die auf Satelliten und Raumschiffen ins All kommen.

„Derzeit holen sich Geräte im Weltall Strom aus harten, festen Solarpanelen. Da besteht das Risiko, dass beim Start, wenn alles ruckelt und vibriert, etwas kaputtgeht. Außerdem wiegen harte Solarzellen sehr viel“, sagt Teklemariam. Viel effizienter wäre es, die Solarzellen beim Start noch gut geschützt eingerollt zu lassen und erst dann zu entfalten, wenn das Raumfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist.

Solarzellen einrollen und mitnehmen

Bei uns auf der Erde gibt es schon flexible Solarmodule, die bei Campern beliebt sind. Doch für das Weltall braucht es ganz andere Eigenschaften. „Extreme Kälte und Hitze, Feuchtigkeit und Strahlung – all das muss eine Solarzelle aushalten“, sagt Teklemariam. Am JKU-Campus entwickelt und charakterisiert er neue Materialien, die für diesen Zweck geeignet sind. „Im Labor funktioniert schnell einmal etwas. Aber wir simulieren die harschen Bedingungen des Weltalls.“

Drahtlos Energie zur Erde schicken

Diese zukunftsträchtige Technik eignet sich auch für Solarzellen, die in tragbare Kleidung oder Rucksäcke eingearbeitet sind. Ebenso braucht die Robotik, die immer mehr weiche Materialien anstrebt, flexible Solarmodule. „Noch spannender sind drahtlose Energietransporte aus dem Weltall“, sagt Teklemariam. Kann man die Energiekrisen der Welt lösen, wenn man Strom aus dem All bezieht? Die Solarpanele auf Satelliten und Raumschiffen generieren 24 Stunden am Tag Energie, die man zur Erde transferieren könnte.

»Im Labor funktioniert schnell einmal etwas. Aber wir simulieren auch die harschen Bedingungen des Weltalls.«

So spacig die Ziele der Forschung, so simpel läuft ein Tag im Leben des Physikers ab. „Viel Zeit verbringe ich in der Literaturrecherche. Dann erstellen wir neue Formeln und Zusammensetzungen für Materialien, die sich für all diese Zwecke eignen. Im Labor testen wir die optischen und elektrischen Eigenschaften der Solarzellen: Wie gut sammeln sie das Sonnenlicht, und wie effizient wandeln sie es in Strom um – und nicht in Wärme?“

Aufgewachsen in Debre Berhan, Äthiopien

Teklemariam war schon früh von Physik und Chemie begeistert. Er wuchs in den Bergen von Äthiopien auf, seine Heimatstadt Debre Berhan (über 100.000 Einwohner) liegt auf 2800 Metern Höhe nordöstlich von Addis Abeba, der Hauptstadt. An der Bahir Dar University studierte er Chemie und erwarb an der Universität Addis Abeba den Master in Physikalischer Chemie, bevor er ins Ausland ging. „In Israel am Weizmann-Institut in Rechovot habe ich einen Master in Materialwissenschaften gemacht. Dann kam ich 2016 nach Linz“, erzählt Teklemariam.

Seine Doktorväter Markus Clark Scharber und Niyazi Serdar Sarıçiftçi sind weltbekannt für die Entwicklung von Solarzellen: Das Team an der JKU Linz arbeitet seit Jahrzehnten daran, die Welt durch Solarenergie gerechter und nachhaltiger zu machen. Teklemariam ließ im Labor Kristalle wachsen, die sich für Solarzellen eignen. „Das Material ist Perowskit und hat eine Struktur wie das Mineralsalz Calciumtitanoxid.“ Dieses ist eine Mischung aus organischer und anorganischer Chemie. Mit dem Wissen zu solchen Feststoffen der Solartechnik wechselte er 2020 zur „Physik weicher Materie“. Auch hier geht es stets darum, wie sich die Elektronen im Material, das Licht absorbiert, bewegen und was sie dabei abgeben: Licht, Wärme oder Strom.

In Linz fühlt er sich zu Hause

Vom Leben in Linz ist der Äthiopier sehr begeistert. „Hier im Institut fühle ich mich sowieso nicht fremd, weil die Gruppe so international und die Arbeitssprache Englisch ist“, sagt Teklemariam. Aber auch rundherum in Oberösterreich passt für ihn alles: „Die Gesellschaft ist ähnlich der, in der ich aufgewachsen bin: freundlich, christlich, hilfsbereit, bescheiden.“

Zur Person

Bekele Teklemariam (36) studierte in Äthiopien Physikalische Chemie und in Israel Materialwissenschaften. Seit 2016 forscht er an der Uni Linz an Solarzellen. In der Arbeitsgruppe „Physik weicher Materie“ testet er Perowskit-Materialien, die im Weltall und an Robotern sinnvoll sind: Die jüngste Publikation erschien in Nature Electronics.

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