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Polestar 2: Die Nummer zwei hält die Stellung

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Neuvorstellung. Polestars einziges Modell sollte längst Verstärkung haben. Wir fuhren den frischen Jahrgang mit Techno-Updates.

Geduld gehört kaum zu den hervorstechenden Eigenschaften eines dynamischen Automanagers wie des Deutschen Thomas Ingenlath. Und doch muss sich der Polestar-CEO, ehemals Audi- und Volvo-Designer, darin üben wie ein Zen-Buddhist.

Was 2017 als eigenständige Marke aus Volvo und dessen chinesischem Mutterkonzern Geely hervorgegangen war, rauschte mit dem Kampfgeist eines Guerilla-Start-ups in den Markt. Auf das erste ­Modell (handverlesene Stückzahl, aber große Aufmerksamkeit für Design und Technik) folgte schnell der elektrische Polestar 2, und in dem Takt hätte es weitergehen sollen.

Verschoben

Neben jener Fließhecklimousine (klingender: Fastback), die in einem Geely-Werk in China gebaut wird, sollte längst die Nummer drei, ein 2,6-Tonnen-SUV-Crossover, auf der Straße sein. Sogar bis zur Nummer sechs, angesagt für 2026, sind alle kommenden Modelle schon enthüllt. Neben einem weiteren Crossover sind das eine große Limousine und ein Roadster (wenn man uns fragt, schauen die sich alle gar ein bisschen ähnlich).

Das Mantra lautet jedoch: warten. Das liegt daran, dass Polestar eben kein Start-up ist, das bei null angefangen hat, sondern mehr ein Spin-off von Volvo mit viel Support von Geely. Und bei Volvo hängt’s; die neue E-Architektur ist mit Software-Problemen durchsetzt (da ist VWs Dauerbaustelle Cariad also kein Einzelfall). Zu erwartende Stückzahlen wurden herabgesetzt, Renditeziele nach hinten verschoben. Für Polestar unangenehm bis bedrohlich.

In den Dimension von Geely, einer von Chinas Top-Playern und in Besitz europäischer Juwelen wie Lotus und Volvo sowie beim Mercedes-Joint-Venture der Smart-Neuauflage im Regiesessel, ist Polestar eine kleine Nummer. Kann auch ein Vorteil sein – besser aber, man kommt bald ins Geldverdienen.

Einstweilen muss also die Nummer zwei die Stellung halten. Dafür wurde der Polestar 2, von dem im Vorjahr etwas über 50.000 Stück verkauft wurden (und seit Einführung immerhin 1000 in Österreich), frisch gerüstet, technisch aufgewertet und nicht etwa, wie Ingenlath betont, zu Sparzwecken abgespeckt. Die Modelle wurden auch nicht etwa billiger, sondern etwas teurer. Im Gegenzug gibt es mehr Motor- und Ladeleistung sowie mehr Reichweite.

Damit ist primär vom Antrieb und Energiespeicher die Rede. Wie auch bei der zugrundeliegenden Volvo-Plattform (XC40, C40) wurde von Front- auf Heckantrieb mit neuen, im Haus entwickelten Permanentsynchronmotoren umgestellt. Bei den Allradvarianten kommt eine Asynchronmaschine an der Vorderachse dazu, diese verabschiedet sich bei Nichtbedarf aus dem Geschehen (was den Großteil der Fahrzeit über der Fall sein wird).

Die maximale Motorleistung wurde beim Einstiegsmodell auf 200 kW (272 PS) gesteigert, die 67-kWh-Batterie (von LG Chem, Südkorea) reicht hierbei für 546 Kilometer laut WLTP. Long Range heißt 220 kW (299 PS) und Catl-Batterien (China) mit netto 79 kWh Kapazität für 655 km. Wer seinen Polestar als Dragster ausführen möchte, kann weiterhin ins Performance-Paket mit 476 PS investieren.

Ehrenwerterweise verkniff man sich von Anfang an das beliebte Null-Emission-Märchen und veröffentlicht die klimarelevanten Emissionen in der Herstellung bis zur Auslieferung: Sie betragen beim Topmodell des neuen Jahrgangs 23,1 Tonnen CO2, dies eine Reduzierung um 12% seit dem Start vor drei Jahren, hauptsächlich durch Effizienzmaßnahmen in der Fabrik und eine verbesserte Zelltechnologie. Beim Laden kann man sich neben YouTube und der ORF-TVthek nun auch mit Prime Video streamend die Zeit verkürzen. Zudem ist die Fahrzeugfront neu gestaltet.

Das Wesen des Autos hat sich indes nicht gewandelt. Hochwertigkeit rundum, das Interieur ist ein Tempel der Ergonomie mit fabelhaften Sitzen und einer Android-basierten Benutzeroberfläche, die aus einem großen Bildschirm besteht, aber auch schöne analoge Elemente belässt. Nicht wirklich Hygge, eher skandinavische Nüchternheit, ganz ohne Zier und Ornament. Wenn man das mag, mag man’s sehr.

Fahrerisch ist mit dem Heckantrieb wohl noch etwas gewonnen, aber da gab’s zuvor kaum Beschwerden. Das Fahrwerk ist so straff abgestimmt geblieben – „Premium Luxury“ skandiert Thomas Ingenlath für seine Marke, und Verzärteln meint er damit sicher nicht.

Neue Front, neue Räder, mehr Motorleistung, dabei weniger Verbrauch und mehr Reichweite: Polestar 2, Jahrgang 2024.
Neue Front, neue Räder, mehr Motorleistung, dabei weniger Verbrauch und mehr Reichweite: Polestar 2, Jahrgang 2024. Werk
Zsolt Marton
Keine Rückansicht, sondern das SUV-Modell Polestar 3, angesagt für 2024 (l.). Im 2er-Cockpit kann man nun Prime streamen (r.).
Keine Rückansicht, sondern das SUV-Modell Polestar 3, angesagt für 2024 (l.). Im 2er-Cockpit kann man nun Prime streamen (r.). Werk

Polestar 2

Maße: L/B/H: 4606/1985/1479 mm. Radstd.: 2735 mm. Leergew.: 1944–2105 kg. Ladevol.: max. 1095+41 l.
Preise: Standard Range (Akku: 69 kW, Leistung: max. 200 kW) ab 48.790 Euro. Long Range (82 kW, 220 kW) ab 53.490 Euro. Long Range Allrad (310 kW) ab 56.790 Euro.

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