Weltmeisterin im Gespräch

Mona Mitterwallner: „Dieses Gefühl bekommst du nur wenn du gewinnst“

Der Lohn für alle Mühen: Mona Mitterwallner siegt auch im französischen Les Gets – ein weiteres Highlight am Ende eines denkwürdigen rot-weiß-roten Radsport-Sommers.
Der Lohn für alle Mühen: Mona Mitterwallner siegt auch im französischen Les Gets – ein weiteres Highlight am Ende eines denkwürdigen rot-weiß-roten Radsport-Sommers. Maxime Schmid / Keystone / picturedesk.com
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Wie wird man die beste Mountainbikerin der Welt? Eine Reise durch die Gedankenwelt von Mona Mitterwallner, der jungen Weltmeisterin, für die der Sport nach dem Training noch lang nicht aufhört. Ihre oberste Mission: den eigenen Horizont erweitern.

Mona Mitterwallner sitzt im Zug nach Köln. Dort wird die Sporthilfe-Millionenshow aufgezeichnet, mit der jungen Tirolerin als Hauptattraktion, denn dass die 21-Jährige aus dem Oberinntal im TV-Quiz ebenso abräumen wird wie zuletzt auf den Mountainbike-Strecken dieser Welt, wäre alles andere als eine Überraschung.

Mitterwallner ist nicht nur die Beste auf zwei Rädern über Stock und Stein, sie meistert auch den Balanceakt zwischen einem Leben, das voll und ganz auf den sportlichen Erfolg ausgerichtet ist, und dem Blick nach links und rechts, auf andere Lebensrealitäten und auf anderen Weltanschauungen – nicht zufällig auch eine Eigenschaft von echten Sportgrößen.

Geradezu sinnbildlich dafür: die Millionenshow. „Ein Highlight“, sagt Mitterwallner. „Ich bin ein Riesenfan, habe das schon als Kind geschaut und wollte immer einmal auf diesem Stuhl sitzen. Ich versuche, das alles als Teil von neuen Erfahrungen zu sehen, und die Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, waren ziemlich cool.“

Nur: Quizfragen in einem TV-Studio beantworten, wenn auch für den guten Zweck, bedeutet auch ein Tag ohne Radfahren, ohne Training. Die andere Seite des Erfolgs. Denn nicht umsonst gewann Mitterwallner vor sechs Wochen bei der WM in Schottland schon zum zweiten Mal Gold im Mountainbike-Marathon (Siegerzeit nach 96,5 Kilometern und 3200 Höhenmetern: 5:07:50 Stunden), sondern danach auch beide Weltcuprennen im Cross Country, bei dem gut eine Stunde voll auf Anschlag gefahren wird. Was sie über die Distanzen hinweg zur derzeit besten Mountainbikerin überhaupt macht.

Kino-Dilemma

Hochemotionale Wochen also für die junge Tirolerin, ihre Zieleinläufe zuletzt waren nicht nur ein Stück österreichische Radsportgeschichte, sondern vor allem Gänsehautmomente. „Ich möchte jetzt keine anderen Rennen herunterspielen, aber die letzten drei Rennen, die ich gewonnen habe, waren ganz klar große Siege. Da bin ich auch emotional. Ich weiß, wieviel Arbeit dahinter steckt, die Zweifel, die harten Zeiten. Radfahren macht mir Spaß, aber es ist nicht immer alles schön. Die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit du ganz oben landest, ist nicht einfach. Deswegen bin ich dann so erleichtert, wenn alles funktioniert hat. Das bedeutet mir viel, das ist die Bestätigung für mich. Und dieses Gefühl bekommst du nur wenn du gewinnst. Weil wenn du Zweiter bist, hättest du irgendetwas besser machen können. Deswegen bin ich bei einem ersten Platz so emotional.“

Mitterwallner ist überzeugt: Es gibt zwei Arten von Leistungssportlern. „Die einen sagen: ‚Ich lebe 26 Stunden am Tag für den Sport‘. Und die anderen sagen: ‚Jetzt habe ich trainiert, jetzt ist mein Tag als Sportler zu Ende und ich gehe ins Kino‘. Ich will nicht schlechtmachen, wenn jemand ins Kino geht. . . (lacht). Ich sage nur, dass ich eben nach Hause gehe. Egal was ich an meinem Tag mache, ich habe immer im Hinterkopf, ob das gut für meinen Sport ist. Einem Kinobesuch steht jetzt nichts im Wege, aber wenn ich ein Cola trinke und Popcorn esse, muss ich mich fragen, ob das gut für meinen nächsten Trainingstag ist. Und deshalb findet man mich eher daheim mit einem Buch oder beim Dehnen. All dieses Wissen und diese Gedanken habe ich, wenn ich die Ziellinie überquere. Das ist jetzt auch kein Opfer für mich, das ist ja genau das, was ich tun möchte. Aber die harte Arbeit ist das, was hängenbleibt.“

Mitterwallner feiert ihren zweiten Weltcupsieg im französischen Les Gets.
Mitterwallner feiert ihren zweiten Weltcupsieg im französischen Les Gets. APA

Wenn schon nicht der neueste Kinofilm mit Cola und Popcorn – gibt es nicht doch eine Sache, die sie tatsächlich als Entbehrung empfindet? „Bei der Ernährung bin ich extrem genau. Ich habe seit Jahren keinen industriellen Zucker mehr gegessen. Aber ich weiß nicht, ob ich das als Entbehrung sehen kann, weil ich ja merke, wie gut es mir geht. Die Süße einer Banane oder einer Dattel reicht mir völlig. Mein Magen ist auch relativ schnell beleidigt, wenn ich etwas esse, das nicht hundertprozentig selbstgemacht ist. Wenn im Restaurant irgendein Zusatzstoff dabei ist, merke ich das sofort. Klar wäre es bequemer, wenn du statt vorzukochen einfach zum Bäcker gehst und dir eine Wurstsemmel holst. Aber für mich hört der Sport eben nicht beim Training auf und ich bin überzeugt, dass Ernährung mit am wichtigsten ist für Körper und Geist. Wenn ich keinen Profisport mehr mache und bei einer Geburtstagsparty bin, werde ich sicher wieder einmal ein Stück Kuchen essen, aber momentan will ich das auch gar nicht, weil ich es nicht genießen könnte. Ich widme mich zu hundert Prozent dem Sport, das ist das, was mich erfüllt. Und wenn ich von meiner Linie abweiche, habe ich nicht alles fürs Rennen getan.“

Bücherwurm

Wie aber gelingt es, bei diesem vollständigen „commitment“ – auch Mitterwallner verwendet mangels trefflicher Übersetzung den englischen Begriff – nicht die Welt rundherum aus den Augen zu verlieren?

Erst kürzlich saß die frischgebackene Weltmeisterin im ORF-Studio bei Barbara Stöckl, unter anderem mit Michael Köhlmeier und dem britischen Botschafter Leigh Turner. Sie fühlt sich wohl zwischen Geistesgrößen, Künstlern und Schriftstellern. „Für mich ist es total interessant, solche Personen zu treffen und ihre Weltanschauung zu sehen. Als Profisportler bist du so in deiner eigenen Welt und deswegen ist es ganz wichtig zu sehen, was für andere lebenswichtig ist. Für mich ist das Radfahren die Luft zum Atmen, für Michael Köhlmeier ist es vielleicht ein Buch. Deswegen sind das wichtige Erfahrungen und deswegen versuche ich auch, aus jedem Interview etwas für mich mitzunehmen. Ich glaube, das ist auch gut für die Erweiterung meines Horizonts.“

Eine andere Möglichkeit: „Ich lese sehr viel“, erzählt Mitterwallner. Aber wie sieht sie aus, die Lektüre des Mountainbike-Stars? „Während einer Rennwoche lese ich gern einen Roman, damit ich etwas um Abtauchen habe. Aber in Trainingswochen lese ich gern Mindset-Bücher oder Biografien. In stressigen Wochen helfen mir Bücher, in denen Dinge stehen wie ‚du musst mit den Herausforderungen wachsen‘. Aber grundsätzlich lese ich alles, das mir in die Finger kommt und mich anspricht. Algebra-Buch habe ich ehrlich gesagt noch keines gelesen, aber sonst ziemlich alles.“

Jetzt mit Ellbogen

Mitterwallners jüngste Erfolge waren nur der Gipfel eines aus rot-weiß-roter Sicht einzigartigen Radsport-Sommers. Felix Gall fuhr bei der Tour de France ins Rampenlicht, Christina Schweinberger holte sensationell WM-Bronze auf der Straße, Vali Höll dominierte die Welt der Downhill-Mountainbiker. „Man sieht, dass es möglich ist“, sagt Mitterwallner. „Ich glaube, das ist auch ein gegenseitiges Zeigen, ein Möglichmachen, ein Verschieben von Grenzen. In der Trainingswissenschaft heißt es, du kannst soundso viele Stunden in der Woche trainieren. Und ich sage: Ok, aber ich trainiere jetzt fünf Stunden mehr. Wenn ich dann ein Rennen gewinne, habe ich für mich eine Grenze verschoben. 90 Prozent des Erfolgs sind einfach mental, zwischen den ersten zehn Fahrern geht es nur noch darum, wer ist mental am stärksten, wer beißt einfach durch.“

Bei den jüngsten Rennerfolgen hat die Tiroler Weltmeisterin noch eine ganz neue Seite an sich entdeckt. „Ich bin ganz klar die Zurückhaltende. Ich bin aber inzwischen dabei, mein Mindset so zu verändern, dass ich sage, ich fahre auch meine Ellbogen aus, ihr kommt nicht an mir vorbei. Das hat schon sehr gut funktioniert.“

Ein Charakterzug vielleicht, der auch abseits des Wettkampfs zum Vorschein kommt? „In meinem Leben bin ich ganz klar diejenige, die sich holt was sie will. Mit meiner Meinung halte ich nie zurück. Ich habe schon gehört, dass ich nicht auf den Mund gefallen und unverschämt ehrlich sei. Aber ich halte es lieber authentisch als dass ich da irgendetwas erfinde.“

STECKBRIEF

Mona Mitterwallner, 21 Jahre, 1,58 m, aus Silz im Oberinntal.

Mit 15 Jahren entschied sich die Tirolerin für eine Mountainbike-Karriere, mit 19 ist sie die jüngste Weltmeisterin im Marathon-Bewerb.

Im August 2023 gewann sie in Glasgow erneut WM-Gold im Marathon.

Weltcup

Am 27. August feierte Mitterwallner in Andorra ihren ersten Weltcupsieg im olympischen Cross Country, vergangenen Sonntag legte sie im französischen Les Gets mit Weltucpsieg Nummer zwei nach.

Sie fährt für das Cannondale Factory Racing Team.

Privat

Mitterwallner ist Vegetarierin und verzichtet auf industriellen Zucker.

APA

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