Quergeschrieben

Was Sie über Corona wissen wollten, aber nie zu fragen wagten

Das Virus ist noch da, viele Antworten aber fehlen. Österreichs Umgang mit ­Gesundheitsdaten muss sich dringend ändern.

Wie viele der Menschen, die wegen einer Covid-Erkrankung auf der Intensivstation behandelt werden, sind geimpft? In welchen Bevölkerungsgruppen ist die Durchimpfungsrate am höchsten? Und in welchen Berufen geschehen die meisten Ansteckungen? Fragen wie diese blieben während der Pandemie unbeantwortet. Und nun, da Corona zwar nicht mehr eine meldepflichtige Erkrankung ist, die Infektionszahlen seit Wochen aber wieder steigen, hätte man gern diese Antworten.

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Auch wenn die größte Gefahr gebannt ist, da die neuen Virusmutationen auf eine Bevölkerung treffen, die großteils immunologisch vorbereitet ist, also wegen einer bereits erfolgten Impfung oder Infektion das Virus besser abwehren kann – jede Infektion kommt mit dem Risiko, an Long Covid zu erkranken, und kann für Menschen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem nach wie vor lebensgefährlich sein. Es wäre also praktisch, so gut wie möglich zu verstehen, was das Virus in der Bevölkerung tut.

Doch da hinkt Österreich hinten nach. Obwohl die Daten vorhanden sind – sie werden nur nicht miteinander verknüpft. Ein Beispiel: Die Krankenanstalten nehmen – logischerweise – die Daten ihrer Patientinnen und Patienten auf: die Diagnose, die Behandlung und vieles mehr. Im nationalen Impfregister wird gespeichert, wer wann womit geimpft wird. Diese Daten pseudonymisiert zu verbinden, also so, dass der Name der Person durch eine Kennzahl ersetzt wird, geschieht aber nicht.

Davon würde die Forschung aber profitieren, die sich, unbeeinflusst von politischen Stimmungsschwankungen, ansehen könnte, wie gut das Gesundheitssystem im Allgemeinen und das Pandemiemanagement im Speziellen funktionieren. Theoretisch ist das schon möglich; seit 2018 ist das novellierte Forschungsorganisationsgesetz in Kraft, das Forschenden Zugriff auf diese Registerdaten, also von den Behörden gesammelte Daten, verschaffen soll. Doch dafür müssen die zuständigen Ministerien eine Verordnung erlassen. Getan hat das bislang nur das Bildungsministerium. Als Grund dient Österreichs beliebteste Ausrede: der Datenschutz.

Ganz egal, dass die Daten pseudonymisiert werden und vor einer Veröffentlichung zudem geprüft wird, dass einzelne Personen nicht identifiziert werden können. (Zuständig ist seit dem Vorjahr das Austrian Micro Data Center, das zur Statistik Austria gehört.) Der Datenschutz bleibt das Totschlagargument. Gleichzeitig hat die öffentliche Hand aber sichtlich kein Problem damit, Unternehmen wie Meta und Google zu nutzen, die bereits mehrfach nachweislich gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen haben und zudem völlig intransparent agieren: Knapp 20 Millionen Euro zahlten Bund, Länder und andere staatsnahe Rechtsträger 2022 für Werbung auf den Plattformen.

Langfristig braucht es einen weniger widersprüchlichen Zugang. Auch, weil das Europäische Parlament gerade über einen Vorschlag der EU-Kommission diskutiert: Geschaffen werden soll ein europäischer Gesundheitsdatenraum. Die einzelnen Mitgliedstaaten müssen dann digitale Gesundheitsbehörden einrichten, also eine sichere, zentralisierte Zugangsstelle zu Gesundheitsdaten für Forschung und öffentliche Behörden. Wer künftig im EU-Ausland medizinisch behandelt wird, kann von dort auf die eigenen Unterlagen zugreifen. Zudem profitiert die Forschung von besseren Daten, die sich länderübergreifend vergleichen lassen.

Noch ist allerhand unklar, etwa, was genau unter Gesundheitsdaten fällt, zu welcher Nutzung die Patientinnen und Patienten zustimmen müssen und wer dann alles auf die Daten zugreifen darf. Doch klar ist, dass eine solche Verordnung kommen wird – Österreich täte gut daran, sich darauf vorzubereiten. Und etwa schon einmal darüber zu diskutieren, warum so viele Fragen unbeantwortet bleiben. Obwohl wir die Antworten so dringend brauchten.

»Ganz egal, dass die Daten pseudonymisiert werden. Der Datenschutz bleibt das Totschlagargument. «

Zur Autorin:

Anna Goldenberg ist Journalistin und Autorin („Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete“, 2018, Zsolnay) und lebt in Wien. Sie schreibt hier im 14-Tage-Rhythmus abwechselnd mit dem Journalisten Thomas Weber.

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