Gefeierter Sänger

Wagner-Tenor Stephen Gould ist tot

Opernsänger Stephen Gould.
Opernsänger Stephen Gould.VISTAPRESS / Lana Yassi via www.imago-images.de
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Der US-Amerikaner zählte zu den wichtigsten Heldentenören der vergangenen Jahrzehnte und trug den Ehrentitel „Österreichischer Kammersänger“.

Sänger wie er sind rar. Bei ihrem Erscheinen erlangten sie in der jüngeren und jüngsten Opernvergangenheit stets Erlöser-Status in der Welt der Wagnerschen Götter und Heroen. Die sind schwer zu singen, das weiß man. Und die Partien für die Heldentenöre sind die schwerten. Jede Generation hat in der Regel einen Siegfried, einen Tristan, einen Tannhäuser. Von der New Yorker Metropolitan Opera bis nach Paris, München und Wien kommt man um sie nicht herum. Stephen Gould hatte diesen Status inne, seit er in den Jahren um die Jahrtausendwende in die Radarfalle der Opernagenturen geriet.

Begonnen hatte der stämmige Mann aus dem US-amerikanischen Roanoke (Virgina) zwar in einem Opernhaus, aber das stand am Broadway, auf einer Musical-Bühne. Der junge Stephen Gould war „Das Phantom der Oper“, Tag für Tag, sonntags auch oft zweimal. Monatelang. Dass er einmal vom Phantom zum realen Opernstar werden würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Aber Kraft, die Ausdauer, die er bei Andrew Lloyd gestählt hatte, sind jene Tugenden, die es auch in Bayreuth braucht. Im „Siegfried“ heißt es, nach dreieinhalb Stunden Dauereinsatz gegen eine ausgeruhte Sopranistin, die es zu erwecken gilt, eine Dreiviertelstunde lang im Duett mitzuhalten, im „Tristan“ noch einen Akt lang monologisieren, während sich Isolde auf die zehn Minuten ihres finalen „Liebestods“ vorbereitet, mit dem sie dem erschöpften Kollegen dann regelmäßig die Show stiehlt.

Luxuriös wandlungsfähige Tenorstimme

Nicht einem Stephen Gould freilich. Das haben Intendanten, Dirigenten und vor allem das Publikum rasch begriffen, denn der verfügte über die nötigen Reserven, die anstrengendsten vokalen Marathonaufgaben zu stemmen - und er hatte zudem eine für solche Zwecke geradezu luxuriös wandlungsfähige, ansprechende Tenorstimme. Das klang dann auch noch wirklich innig und bewegend, wenn der schon von Hagens Speer zu Tode getroffene Siegfried sein visionäres „Brünnhilde, heilige Braut“ anstimmte.

Als das Potenzial dieses Künstlers entdeckt wurde, schickte man ihn ins Nachwuchsprogramm der Lyric Opera Chicago. Und als er zum „Gott, welch Dunkel hier“ in seiner ersten „Fidelio“-Aufführung ansetzte, war sein Schicksal bereits besiegelt: Die Kunde vom stimmgewaltigen Hünen mit den unversieglichen Energiereserven war schneller als Beethovens Final-Stretta. Als der Schlussvorhang gefallen war, hatte Stephen Gould Einladungen zum Vorsingen an einigen der bedeutendsten Opernhäusern in der Tasche. Ein Münchner Auftritt in der Mini-Partie des Melot in einer von Zubin Mehta dirigierten „Tristan“-Aufführung war sozusagen der kurze Vorschlag vor den ersten mächtigen Akkorden.

Zwei Jahrzehnte in Bayreuth

2004 ging es nach Bayreuth, von wo Gould dann beinah zwei Jahrzehnte lang nicht mehr wegzudenken war. Dem „Tannhäuser“ unter Christian Thielemann galt sein Einstand, die Hausherrin Katharina Wagner zeichnete für die Regie von Goulds erstem Bayreuther „Tristan“ (wiederum mit Thielemann am Pul) verantwortlich. Mehr als 100 Aufführungen hat Gould auf dem grünen Hügel gesungen. Im Vorjahr war er auch beim ersten Open-Air-Spektakel der Wagner-Festspiele dabei und sang - ja, auch Wagner, aber überdies sogar „Dein ist mein ganzes Herz“, ein Kompliment, das ihm das Bayreuther Publikum gern zurückgab, garantierte dieser Künstler doch über die Jahre hin dafür, dass in seiner Ära das sonst für Wagnerianer gewohnte akustische „Durchtauchen“ vorbei war: Man musste nicht befürchten, dass dem „hehrsten Helden“ zwischendurch die Luft ausgehen könnte.

Auch Wien hat von Goulds Präsenz profitiert. Er sang die heikelsten Partien von Richard Strauss, den Kaiser in der „Frau ohne Schatten“, den Bacchus in der „Ariadne auf Naxos“. Und er war natürlich Tristan, Tannhäuser, auch Erich W. Korngolds Paul in der „Toten Stadt“. Und natürlich Premierenbetzung der beiden Siegfried-Partien im aktuellen „Ring des Nibelungen“: Seit 2008 hat Gould die beiden Partien 19 bzw. 21 Mal im Haus am Ring gesungen. 2015 hat man ihn zu österreichischen Kammersänger ernannt.

Seine Auftritte bei den Bayreuther Festspielen dieses Sommers musste Stephen Gould absagen. Die Musikwelt dachte sich noch nicht viel dabei, als der Sänger nach zwei Jahrzehnten ungebremster Leistungsfähigkeit mitteilen ließ, er müsse ein wenig pausieren. Vor kurzen freilich kam die Hiobsbotschaft: Stephen Gould war schwer an Krebs erkrankt. Unheilbar, hieß es. Am Mittwoch ist der Sänger 61jährig gestorben.

(sin)

>> https://www.stephengould.org/

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