Morgenglosse

Österreich verbrennt seine Brücken in der EU

Kanzler Nehammer hat in seinen fast zwei Jahren als Bundeskanzler in Brüssel nicht durchs Schmieden von Allianzen für Schlagzeilen gesorgt.
Kanzler Nehammer hat in seinen fast zwei Jahren als Bundeskanzler in Brüssel nicht durchs Schmieden von Allianzen für Schlagzeilen gesorgt.APA / Florian Schrötter
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Italien und Rumänien drohen der Republik gleichzeitig Klagen vor dem EuGH an: ein Zeugnis der nichtexistenten europapolitischen Strategie der Bundesregierung.

„Österreichs geografische Lage in der Mitte Europas steht in scharfem Kontrast zu seinem politischen Platz am Rand“: dieses Fazit einer Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) ist fünf Jahre nach ihrer Veröffentlichung im August 2018 so einschlägig wie damals. Die Bundesregierung hat seither von Türkis-Blau auf Türkis-Grün gewechselt. Ihre Bemühungen darum, innerhalb der EU Seilschaften mit anderen Mitgliedstaaten zu formen, sind mit freiem Auge nicht ausfindig zu machen. Gibt es keine anderen Mitgliedstaaten, mit denen die Republik politische Interessen teilt, und zu denen sie ein Verhältnis gegenseitigen Vertrauens aufbauen möchte, um gemeinsam etwas in Brüssel zu erreichen? Gemeinsame Briefe mehrere Agrarminister, die für den einfacheren Abschuss von Wolf und Bär werben, können wohl kaum der Gipfel europapolitischen Denkens dieser Bundesregierung sein.

Es wäre schon betrüblich genug festzustellen, dass diese Republik sich nach drei Jahrzehnten EU-Mitgliedschaft damit begnügt, unter ihren Möglichkeiten zu bleiben. Selbstverzwergung: das scheint Nationalsport zu sein, zumal man daraus auch rasch einen Opferstatus basteln kann („Die EU“, „auf dem Rücken der Österreicher“, „wieder einmal gegen uns“; man kennt die Textbausteine der Entrüstungsprosa aus den amtlichen Kanälen und ihren boulevardmedialen Erfüllungsgehilfen zur Genüge).

EU-politische Randständigkeit

Aber jetzt hat die europapolitische Randständigkeit Österreichs einen neuen Tiefpunkt erreicht. Erstmals ist das Land mit zwei Klagsdrohungen zweier Mitgliedstaaten wegen angeblicher Verletzung der Verpflichtungen aus den EU-Verträgen konfrontiert. Italien ist wegen der Maßnahmen in Tirol gegen den Lkw-Transitverkehr erzürnt, Rumänien wegen der Blockade seines Beitritts zum Schengen-Raum.

Ob diese Klagen Aussichten auf Erfolg haben (vermutlich nicht), ob sie möglicherweise nur ein politisches Drohmittel der Regierungen Italiens und Rumäniens sind (durchaus denkbar), tut hier nichts zur Sache. Seit Beginn der Europäischen Integration gab es nur neun Klagen von Mitgliedstaaten gegen andere. Diese Klage nach Artikel 259 des EU-Vertrages ist das allerletzte Mittel, wenn man auf dem üblichen Weg kein Einvernehmen findet. Es sollte dem Bundeskanzler und seinem Außenminister, der so unermüdlich vom „Brückenbauer Österreich“ schwärmt, zu denken geben, dass ihre Verhältnis zu gleich zwei Mitgliedstaaten diesen Tiefpunkt erreicht hat.

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