Premiere

Wie der Neustart von Gucci aussieht, und was Straßenbahnen damit zu tun haben

Finale bei der ersten Gucci-Kollektionspräsentation von Sabato de Sarno.
Finale bei der ersten Gucci-Kollektionspräsentation von Sabato de Sarno.Gaspar J. Ruiz Lindberg
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Das begehrteste Ticket bei der noch anhaltenden Modewoche in Mailand war die Einladung zur Gucci-Show. Sabato de Sarno feierte seinen Einstand als Designer - etwas stiller als geplant.

In Mailand hat es Tradition, dass auch die Stadtbewohnerinnen während der „Settimana della moda“ mehr oder weniger in das Modetreiben involviert sind. Und sei es nur, weil Busse, Autos, Straßenbahnen im Limousinenstau steckenbleiben, was verständlicherweise nicht gerade für ein positives Verhältnis mit dem Schauentreiben sorgt. Auf die in diesen Tagen vom Fachpublikum mit der größten Vorfreude erwarteten Show verwiesen ebenfalls öffentliche Verkehrsmittel: Einige der historischen Retro-Straßenbahnen waren in Ochsenblutrot mit der Aufschrift „Ancora“ angemalt. Das ist die neue Farbe der Marke Gucci, und der Titel der ersten Kollektion des neuen Designers Sabato de Sarno.

De Sarno folgt in dieser Rolle auf Alessandro Michele, der mit seinen Rüschenfantasien, opulenten Entwürfen, der Vision eines etwas verqueren und „quirky“ Gucci-Girls die Mode in den letzten Jahren prägte, ehe zugegebenermaßen leichte Ermüdungserscheinungen einsetzten. Ob und wie Sabato de Sarno hier eine Trendumkehr bewerkstelligen würde, ob er Gucci wieder zu einer der maßgeblichsten Modemarken machen würde können, das fragten sich nun viele im Vorfeld.

De Sarno soll Gucci nach der Ära von Alessandro Michele neu erfinden.
De Sarno soll Gucci nach der Ära von Alessandro Michele neu erfinden.Gaspar J. Ruiz Lindberg

Wie sich beim Finale der Modeschau zeigte, war „Ancora“ ein Verweis auf einen seit den Achtzigerjahren beliebten Italoschlager, hier gesungen von Mina, die mit schmachtender Stimme von verstrichenen und zurück ersehnten Liebesnächten erzählt. Im Vorfeld war ruchbar geworden, dass Sabato de Sarno sich an der Gucci-Ästhetik der Sechziger- und Neunzigerjahre bedienen wollte. Man hätte also viel Tom-Ford-Sexiness erwarten können (wozu auch Minas „Ancora“-Schmachten passt), das begleitende Storytelling verwies ebenfalls in diese Richtung, am Laufsteg sah die Sache aber dann ein bisschen anders aus.

Der Wetterbericht vereitelte den Brera-Auftritt

Das schlechte Wetter hatte zuvor den Plänen für diesen Gucci-Neustart einen Strich durch die Rechnung gemacht: Anders als in den letzten Jahren sollte die Kollektion nicht im sogenannten „Gucci Hub“ am Stadtrand gezeigt werden, sondern in - und vor - der historischen Accademia di Brera im Zentrum. Der Plan, die Brücke zwischen Innen- und Außenraum zu schlagen, wurde aber von den vorhergesagten Regengüssen und Gewittern vereitelt. Am Ende fand der von de Sarno geplante Bruch mit den Präsentationen seines Vorgängers also zumindest nicht durch den Austragungsort statt.

Sabato de Sarno bei seiner Schlussverbeugung.
Sabato de Sarno bei seiner Schlussverbeugung.Jason LLoyd Evans

Dass es nach einer Phase der Flaute wieder darum geht, Geld zu verdienen, zeigte schon allein die Tatsache, dass bei so gut wie jedem Look eine Handtasche am Laufsteg zu sehen war: Kommerziell reüssieren Luxusbrands bekanntermaßen dank ihrer Accessoires, nicht so sehr den Prêt-à-Porter-Kollektionen. Man hatte phasenweise sogar den Eindruck, hier werde Kleidung, die zu Taschen passen soll, vorgeführt. De Sarnos Version von Gucci ist deutlich zurückhaltender und reduzierter als jene von Alessandro Michele, zugleich nicht so offensiv sinnlich wie in den Kollektionen von Tom Ford in den Neunzigerjahren. Wie sich dies mittel- und langfristig weiterentwickelt, was de Sarnos Handschrift ausmachen wird, müssen die kommenden Saisonen zeigen. Als Powerhouse des Kering-Konzerns ist der Druck hinsichtlich einer positiven kommerziellen Entwicklung auf die Marke - und ihren Designer - jedenfalls beträchtlich.

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