Interview

Warum die Volksrepublik in der Sackgasse steckt: „China ist nicht kapitalistisch“

China vertusche seine wirtschaftliche Krise, sagt Frank Dikötter. In anderen Staaten würden Fabriken einfach bankrott gehen.
China vertusche seine wirtschaftliche Krise, sagt Frank Dikötter. In anderen Staaten würden Fabriken einfach bankrott gehen.AFP
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Die Volksrepublik verschwende Wirtschaftschancen, Kapital und Wohlwollen im Ausland, sagt der Sinologe Frank Dikötter. Auch Staatschef Xi Jinping werde Chinas ökonomische Probleme nicht lösen können.

„Die Presse“: Die Kommunistische Partei Chinas ist Ihrer Meinung nach in einer Sackgasse angekommen. Warum?

Frank Dikötter: Es gibt mehrere langfristige Trend, die in der Geschichte der Volksrepublik China (VRCh) zu sehen sind. Einer ist der demographische Rückgang. Eine der vielen unbeabsichtigten Konsequenzen der Entscheidungen der Partei sind die Folgen der Ein-Kind-Politik. Ein anderer Trend sind strukturelle, wirtschaftliche Probleme. Wir machten den Fehler zu glauben, Wirtschaftsreform bedeute „einen Übergang vom Plan zum Markt“. Seit 1979 festigen sie die sozialistische Wirtschaft während sie weiter alle Produktionsmittel wie Land, Kapital, Banken, Energie, Rohstoffe und Arbeit kontrollieren.

Was sind diese wirtschaftlichen Probleme?

Unter anderem die stetig wachsenden Schulden. James Palmer [britischer Autor, Anm.] meint, wir wissen nichts über China. Natürlich trifft das auch auf die Führung zu. Wahrscheinlich ist sie sich nicht voll im Klaren über das Ausmaß der Schulden der Lokalregierungen. Es war die Rede von einem harten Durchgreifen gegen den Privatsektor. In Wahrheit war ihm nie wirklich erlaubt worden zu wachsen. Ab 2000 wurde die Idee von privat und staatlich in der VRCh bedeutungslos. Selbst den kleinsten Firmen wurden Parteikomitees auferlegt. Die Politik der Partei schränkt die Wirtschaft ein. Alle einfachen Optionen sind weg – ausländisches Kapital anziehen, Land verpachten, billige, vom Staat subventionierte Produkte produzieren und exportieren... Wie oft wurden die Banken gerettet?

Es geht nicht nur um das Verschwenden von Chancen, von Kapital. Man darf das Ausmaß, mit dem die gegenwärtige Führung weltweit Wohlwollen verloren hat, nicht unterschätzen.

Wie konnte es zu dem riesigen Schuldenberg kommen?

Es geht bis 1949 zurück. Ich mache einen Scherz, aber es hat gleich begonnen. Und wir reden zwar über Schulden, aber da ist ein politisches Element dran. Gewöhnliche Leute sind sich sehr bewusst, dass Parteimitglieder ihren Einfluss ausnutzen. 1989 protestieren sie nicht nur für Demokratie sondern auch gegen ein System, in dem privilegierte Parteimitglieder ihre Macht gegen Geld tauschen. Der Schlüsselmoment ist die Finanzkrise 2008. Die Geldsumme, die in die Wirtschaft gepumpt wurde, ist enorm. Es wird zur Gewohnheit, immer mehr Geld in die Wirtschaft zu gießen, um das BIP zu halten. Der tödlichste Aspekt daran sind die Finanzierungsvehikel der Lokalregierungen. Der Staat führt allerhand Regeln ein, aber über Schlupflöcher verleihen diese Vehikel einmal mehr Geld. Das geht nicht weg.

Sie argumentieren, China hatte nie einen Masterplan…

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