Die Heimat verloren: Ein Bub aus Berg-Karabach wartet in der Stadt Goris.
Südkaukasus

Nach Aserbaidschans Blitzkrieg: Die Vertreibung der Armenier aus Berg-Karabach

Baku hat den bislang blockierten Latschin-Korridor geöffnet. Die armenischen Bewohner verlassen zu Tausenden ihre Heimat. Es ist das Ende des armenischen Karabachs. Eine Reportage.

In langen Kolonnen schleppen sich die Fahrzeuge die Anhöhe nach Kornidzor hinauf. Da sind Autos, in denen alle Sitze besetzt sind und der Kofferraum bis oben hin vollgestopft ist. Da sind Lastwagen, auf deren Ladefläche Männer Platz genommen haben. Minibusse, die übervoll sind mit Menschen. Und dann ist da ein Bagger, in dessen Fahrerkabine eine vierköpfige Familie sitzt. Im Rücken der Menschen liegen die wolkenverhangenen Höhen von Berg-Karabach. Vor ihnen liegt die Ungewissheit.

Mit allen erdenklichen Fahrzeugen fliehen die Armenier aus ihrer Heimat Berg-Karabach. Es ist ein Massenexodus, der provoziert wurde durch eine fast zehnmonatige Blockade und einen brutalen Blitzkrieg von aserbaidschanischer Seite, der am 19. September begann und weniger als 24 Stunden später mit der Kapitulation der Armenier endete. 13.500 Geflüchtete seien bereits nach Armenien eingereist, schätzt die armenische Regierung.

Die Karabach-Armee wird in diesen Tagen aufgelöst, sie muss ihre Waffen, Munition und Militärtechnik dem Gegner überlassen. Baku wird das mehrheitlich von Armeniern besiedelte Gebiet, das sich in den frühen Neunzigerjahren von Aserbaidschan abspaltete, wieder vollständig kontrollieren.

Baku feiert das als „Integration“. Das abtrünnige Gebiet soll wieder aserbaidschanisch werden. Schon entfernen Soldaten in den rückeroberten Orten armenische Aufschriften und Flaggen. Sicherheitsgarantien für die Armenier lehnt Machthaber Ilham Alijew ab. Die Armenier sehen sich zu Recht in ihrer Existenz bedroht. Zurückbleiben und unter aserbaidschanischer Herrschaft leben, das will kaum jemand. Zu groß ist die Angst vor Gewaltakten, Repression und Assimilierung.

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