Reise nach Afghanistan

Wie die Taliban den FPÖ-Besuch in Afghanistan für Propaganda nützen

Andreas Mölzer zu Gast beim „Außenminister“ der Taliban in Kabul.
Andreas Mölzer zu Gast beim „Außenminister“ der Taliban in Kabul.Die Presse Fotos extern
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Der Sprecher des afghanischen Außenministers verkündet, die „führenden FPÖ-Mitglieder“ wollen nun das „echte Bild“ Afghanistans in ihrer Heimat berichten. Die FPÖ distanziert sich von der Reise ihrer Ex-Mandatare Mölzer und Hübner.

Eine Delegation aus Österreich zu Gast bei der nicht anerkannten Regierung der Taliban in Afghanistan? So stellt es das islamistische Regime in Afghanistan dar, obwohl mit Andreas Mölzer und Johannes Hübner zwar aktive FPÖ-Mitglieder, allerdings keine aktiven Mandatare nach Kabul gereist sind. Auch ihre Partei selbst versucht sich, von der Exkursion zu distanzieren. Das Außenministerium betonte, dass man „explizit“ von der Reise „abgeraten“ habe. Immerhin gelte eine Reisewarnung.

Seitdem der afghanische Fernsehsender Tolo News ein BIld des FPÖ-Ideologen Andreas Mölzer im Gespräch mit dem Taliban-Außenminister Mawlawi Amir Khan Muttaqi online stellte, gingen hierzulande die Wogen hoch. Der „Presse“ wurde die Reise von einem Mitarbeiter Mölzers bestätigt.

„Mr. Yohannes“ tue die Nichtanerkennung der Regierung leid

Der Besuch der Ex-Abgeordnete ist für den „Außenminister“ der nicht anerkannten Taliban-Machthaber in Afghanistan, Mawlawi Amir Khan Muttaqiist Grund genug, groß darüber zu berichten. Selbst wenn es keine offizielle Delegation eines Staates war, versucht man, es so zu verkaufen. Der Sprecher des „Außenministers“ berichtet via X (vormals Twitter) in einer Serie von Beiträgen über das Treffen (im Original auf Englisch, siehe am Ende des Artikels). Der „Außenminister“ habe sich gefreut, die Gäste begrüßen zu dürfen, damit diese „die Lage in Afghanistan aus nächster Nähe und auf realistische Weise“ beobachten könnten. Der österreichischen Delegation müsse klar gewesen sein, „dass die Situation in Afghanistan ganz anders ist, als sie in den Medien dargestellt wird“. Bei dem Treffen habe man über die Bereitstellung konsularischer Dienstleistungen gesprochen.

Dann beschreibt der Sprecher, wie die „Mitglieder der Freiheitlichen Partei Österreichs die Lage in Afghanistan als deutlich besser“ beurteilten, „als sie aus den Medien gehört hatten“. Durch Gespräche sei ihnen klar geworden, „dass die Afghanen mit der aktuellen Situation zufrieden sind und sich sicher und geborgen fühlen“. Ein „Mr. Yohannes“ habe ihm gesagt - gemeint ist vermutlich Johannes Hübner -, dass es ihm leidtue, dass die derzeitige Regierung Afghanistans noch nicht anerkannt wurde. Die Gäste aus Österreich hätten versprochen, „dass sie Europa ein reales Bild der aktuellen Lage Afghanistans vermitteln und es ihren Beamten, der Bevölkerung und den Mitgliedsländern der Europäischen Union mitteilen werden.“

„Ist die Anerkennung der Taliban-Regierung FPÖ-Parteilinie?“

„Die FPÖ verhandelt mit den Taliban??? Was weiß das MFA_Austria?“, fragte der Neos-Abgeordnete Helmut Brandstätter empört „Ist die Anerkennung der Taliban-Regierung FPÖ-Parteilinie?“, fragte ÖVP-Generalsekretär, Christian Stocker, laut Aussendung. „Wir alle sind viel von der FPÖ gewohnt, aber dass wichtige FPÖ-Parteimitglieder so weit gehen würden, sich mit Vertretern einer anerkannten terroristischen Vereinigung zu treffen, schlägt dem Fass endgültig den Boden aus.“ Stocker forderte eine „schonungslose Aufklärung der Motive hinter dieser Reise“.

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder kritisiert das Treffen aufs Schärfste. „Extremisten sind für die FPÖ immer willkommene Partner, da machen sie nicht einmal vor den Taliban halt. Die liberale Demokratie, unsere freie Gesellschaft und die Rechte von Frauen und Minderheiten sind die erklärten Feindbilder der FPÖ“, so Breiteneder.

Die FPÖ distanzierte sich von der Visite. „Es handelt sich bei dieser Reise, von der wir erst heute durch Medienanfragen Kenntnis erlangt haben, um eine reine Privatangelegenheit dieser Personen, die weder in Abstimmung mit noch im Auftrag der FPÖ erfolgt ist und auch nicht von ihr bezahlt wurde“, teilte ein Sprecher mit. Mölzer und Hübner waren am Montag für keine Stellungnahme erreichbar.

Außenministerium hat von Reise „explizit abgeraten“

Das Außenministerium wusste bereits seit der vergangenen Woche von der geplanten Reise. Man habe „explizit davon abgeraten“, teilte eine Sprecherin des Außenministeriums gegenüber der „Presse“ auf Anfrage mit. Es bestehe nämlich „aus gutem Grund seit Jahrzehnten eine aufrechte Reisewarnung“ für Afghanistan, und an Ort und Stelle gebe es „kaum Möglichkeiten für konsularische Hilfe“.

„Es handelt sich um die Reise einer Privatperson. Herr Mölzer ist kein offizieller Vertreter Österreichs“, betonte die Sprecherin weiter. „Die Position der Bundesregierung ist hinlänglich bekannt. Wir anerkennen die Taliban-Regierung nicht.“

Mölzer war von 2004 bis 2014 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er gilt als führender Ideologe der FPÖ, bekleidet offiziell aber kein Spitzenamt in der Partei mehr. Der frühere Nationalratsabgeordnete und ehemalige FPÖ-Bundesrat Johannes Hübner war noch bis Juni 2023 aktiver Mandatar, derzeit ist er Präsident der Freiheitlichen Akademie Wien.

Debatte um Abschiebungen

Die radikalislamische Miliz hat im Sommer 2022 die Macht in Afghanistan zurückerobert, nachdem sie das Land zwei Jahrzehnte lang mit einer Terrorkampagne gegen die von einer NATO-geführten Truppe gestützten Machthaber in Kabul überzogen hatte. Der Machtwechsel stellte zahlreiche europäische Staaten vor ein Dilemma, weil eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in das Land nicht mehr möglich ist. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) stellte er aber erst im Mai eine Wiederaufnahme von Abschiebungen in das Land in den Raum und meinte: „Warum soll ich einen Taliban nicht wieder nach Afghanistan zurückbringen?“

Viel kritisiert wurde auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) für seine kurz nach der Machtergreifung getätigte Aussage, er wolle die Taliban „weiterhin an ihren Taten messen“. Er hatte die afghanische Botschafterin Manizha Bakhtari Anfang August 2022 ins Außenministerium zitiert, weil sie angesichts des Vormarsches der Taliban einen verlängerten Abschiebestopp für abgewiesene afghanische Asylbewerber gefordert hatte. (APA/Red.)

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