Um die Dekarbonisierung zu bewältigen und wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es nicht nur im Energiesektor, sondern auch in der Industrie massive Investitionen.
Interview

„Das europäische Zeitalter ist vorbei“

Johannes Lindner, Co-Direktor des Jacques Delors Centre, erklärt, warum Sub­ventionen für die Industrie nun notwendig werden, Sicherheit und Resilienz für die EU an Bedeutung gewinnen.

Erst vor wenigen Tagen hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigt, die Industrie bei der Dekarbonisierung zu unterstützen. Solche Subventionen waren in der Vergangenheit umstritten, doch seit dem Wirtschaftseinbruch durch Corona, dem Ukraine-Krieg und den Lieferkettenproblemen haben sich die Zugänge in Brüssel verändert. Während Länder wie Österreich noch bremsen, das EU-Budget zu erhöhen, warnen Wirtschaftsexperten davor, in Europa an den alten Spielregeln des freien Wettbewerbs festzuhalten, die USA und China längst neu definiert haben. In der Kommission wird bereits sondiert, wie eine solche Hilfe finanziert werden könnte: etwa über noch nicht abgerufene Gelder aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds oder über neue gemeinsam besicherte Anleihen. Das Volumen zur grünen Transformation in der Industrie soll zumindest ähnlich groß werden wie jenes des „Inflation Reduction Act“ (IRA) der USA mit 369 Milliarden Dollar.

Johannes Lindner, Co-Direktor des Jaques Delors Centre, einem Think-Tank zu EU-Zukunftsfragen, drängt im Gespräch mit der „Presse“ zum Umdenken: „Wir müssen unseren Standpunkt zu Subventionen ändern: Wir sind in einer Welt, in der Sicherheitsfragen eine größere Rolle spielen. Der Washington-Konsens (Handelsliberalisierung, Deregulierung, Subventionsabbau) , der uns Wohlstand gebracht hat, wird mittlerweile massiv hinterfragt – durch den Krieg in der Ukraine, aber auch durch die Rivalität zwischen China und USA. Wir müssen viel stärker aus einer Resilienzperspektive prüfen, ob und wie wir Abhängigkeiten beenden. Das geht über eine Diversifizierung der Bezugsquellen, aber auch über Anreize, um eigene Produktionen im Binnenmarkt anzusiedeln.“

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