Konjunktur

Deutsche Wirtschaft schrumpft um 0,6 Prozent – Inflation erreicht Tiefstand

Archivbild aus Berlin.
Archivbild aus Berlin.APA / AFP / Kirill Kudryavtsev
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Laut der jüngsten Konjunkturprognose sackt die deutsche Konjunktur heuer um 0,6 Prozent ab, statt leicht zu wachsen, wie zuvor angenommen. Die aktuelle Inflation liegt bei 4,5 Prozent und damit am tiefsten Stand seit Kriegsbeginn.

Hohe Inflation, maue Weltwirtschaft, steigende Zinsen: Die führenden Institute haben ihre Konjunkturprognosen für Deutschland angesichts des schwierigen Umfelds kräftig gesenkt. Statt dem bisher erwarteten Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,3 Prozent wird nun für das laufende Jahr ein Rückgang von 0,6 Prozent vorhergesagt, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose für die deutsche Regierung hervorgeht.

„Der wichtigste Grund dafür ist, dass sich die Industrie und der private Konsum langsamer erholen, als wir im Frühjahr erwartet haben“, erklärte der Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller. Für 2024 wird wieder ein Wachstum erwartet, das mit 1,3 Prozent aber schwächer ausfallen soll als im Frühjahr mit 1,5 Prozent angenommen. 2025 soll es dann zu einem Plus von 1,5 Prozent reichen.

„Die konjunkturelle Schwäche ist mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt angekommen“, schreiben die Institute. Angesichts der „notorischen und sich perspektivisch weiter verschärfenden Personalknappheit in vielen Bereichen“ erwarten sie allerdings nur einen „moderaten Anstieg“ auf 2,6 Mio. Personen im laufenden Jahr - das wären etwa 174.000 mehr als 2022. „Im kommenden Jahr wird die Zahl der Arbeitslosen wohl leicht sinken“, so die Prognose. 2025 soll sie dann weiter zurückgehen auf weniger als 2,5 Millionen.

Für die Verbraucher halten die Institute eine gute Nachricht parat. „An der Preisfront entspannt sich die Lage nach und nach“, heißt es in der Gemeinschaftsdiagnose, die den Titel „Kaufkraft kehrt zurück – Politische Unsicherheit hoch“ trägt.

Inflation im September auf tiefstem Stand seit Kriegsbeginn

Die Inflationsrate in Deutschland ist im September auf den niedrigsten Stand seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine gefallen. Die Verbraucherpreise legten nur noch um durchschnittlich 4,5 Prozent zum Vorjahresmonat zu - nach 6,1 Prozent im August, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit Februar 2022, als der russische Überfall auf die Ukraine begann.

Von August auf September zogen die Preise allerdings an, und zwar um 0,3 Prozent. Grund für den deutlichen Rückgang der Inflationsrate ist ein sogenannter statistischer Basiseffekt: Die Bundesregierung hatte von Juni bis August 2022 den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket eingeführt, um die Verbraucher zu entlasten. Dieses gesenkte Niveau fällt nun aus dem Vorjahresvergleich heraus, was den kräftigen Rückgang der Teuerungsrate erklärt. Größter Preistreiber blieben Nahrungsmittel, die 7,5 Prozent mehr kosteten als im September 2022 (August: +9,0). Energie verteuerte sich um 1,0 (August: +8,3) Prozent. Dienstleistungen kosteten 4,0 (August: 5,1) Prozent mehr.

„Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Inflation in Deutschland weiter zurückgehen wird“, sagte Ökonom Salomon Fiedler von der Berenberg Bank. Im späteren Verlauf von 2024 könne die Teuerungsrate dann unter 2,5 Prozent fallen. In den kommenden Monaten sollten zwar die Basiseffekte weiterwirken, ergänzte BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels. „Nachhaltige Inflationsraten nahe zwei Prozent dürften wir aber erst wieder 2025 sehen.“

Auch der Bundesbank zufolge dürfte die Teuerung „im Jahresverlauf weiter abnehmen“. Die deutlichen Rückgänge auf den vorgelagerten Stufen - etwa Import-, Erzeuger- und Großhandelspreise - dürften nach und nach an die Verbraucher weitergereicht werden. „Dennoch dürfte die Inflationsrate vor dem Hintergrund eines robusten Lohnwachstums auch mittelfristig deutlich oberhalb von zwei Prozent liegen“, erwartet die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht.

Schwierige Zeiten für Baubranche

Schwierige Zeiten werden der Baubranche vorhergesagt. „Das Baugewerbe kommt zunehmend in schweres Fahrwasser.“ Wegen gestiegener Finanzierungskosten dürften etwa die Wohnungsbauinvestitionen „bis in das nächste Jahr hinein wohl deutlich zurückgehen“. Vorerst keine großen Sprünge nach oben werden im Exportgeschäft erwartet. „Die konjunkturelle Flaute in wichtigen Absatzmärkten wie dem Euroraum und China, von denen vor allem weniger Konsum- und Vorleistungsgüter nachgefragt werden, bremst die Exporte“, betonten die Institute. „Darüber hinaus belasten auch die hohen Energiekosten, insbesondere in der Chemischen Industrie, sowie der zunehmende Fachkräftemangel die deutschen Exportunternehmen.“ Deshalb sollen die Ausfuhren im laufenden Jahr preisbereinigt um 1,0 Prozent sinken, 2024 dann um 1,8 Prozent wachsen.

Erstellt wird die Gemeinschaftsdiagnose vom RWI in Essen, vom Ifo-Institut in München, vom Kieler IfW, vom IWH in Halle und vom Berliner DIW, das nach dem Umbau der hauseigenen Konjunkturforschung wieder mit dabei ist. (APA/dpa)

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