Volkswirtschaft

Neue Parameter für alte Modelle

Mit angepasster Betrachtungsweise wird das Ziel der Nachhaltigkeit in volkswirtschaftliche Überlegungen integriert.
Mit angepasster Betrachtungsweise wird das Ziel der Nachhaltigkeit in volkswirtschaftliche Überlegungen integriert.Getty Images
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Ökonomisches Denken muss in Zeiten wie diesen mit nachhaltigem Mindset gepaart sein. Spezifische Lehrgänge oder in existierende Studien integrierte Module zeigen, wie das gehen kann.

Aus klassisch wirtschaftswissenschaftlicher Sicht werden Probleme im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit tendenziell als negative externe Effekte betrachtet, also als eine Situation, in der Produktions- oder Konsumaktivitäten dazu führen, dass einer anderen Partei als dem Produzenten oder dem Konsumenten Kosten entstehen, sagt Jesús Crespo-Cuaresma, Leiter des Departments für Volkswirtschaft an der WU Wien. „In Situationen, in denen negative externe Effekte vorhanden sind, führen die Marktkräfte zu verzerrten Preisen und Mengen, da die gesellschaftlichen Kosten der Produktion von den Unternehmen in der Regel nicht eingepreist werden.“ Daher würde die in der Wirtschaftswissenschaft verwendete Analyse regulatorische Eingriffe erfordern, die Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, solche sozialen Kosten zu internalisieren, wie CO2-Steuern, Subventionen und andere Regulierungen, die etwa auf technologische Innovationen abzielen.

In Ausbildung angekommen

An der WU wird das Thema Nachhaltigkeit in verschiedenen Studiengängen aufgegriffen, vor allem im Bachelor Volkswirtschaft und im Masterprogramm Economics sowie im Master Sozialökonomie. „Die Einführungsvorlesungen in Volkswirtschaftslehre beschäftigen sich unter anderem mit externen Effekten, Klimawandel, Wirtschaftswachstum und öffentlichen Maßnahmen, die darauf abzielen, das Verhalten von Verbrauchern und Unternehmen zu beeinflussen, um den Übergang zu nachhaltiger Produktion und nachhaltigem Konsum zu erleichtern“, erläutert Crespo-Cuaresma.

Der Master-Studiengang in Volkswirtschaftslehre vertieft diese Themen und rundet das Profil der Absolventen ab, „die über die analytischen Werkzeuge verfügen, die erforderlich sind, um Fragen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit auf evidenzbasierte Weise zu beantworten“.

Geändertes Konsumenten­verhalten, neue gesetzliche Rahmenbedingungen und aktuelle Markt­erfordernisse stellen Unternehmen aller Branchen vor die Herausforderung, ihre Wertschöpfung nachhaltiger auszurichten. „Die alten Modelle funktionieren nicht mehr, es braucht neue Lösungsansätze und umfassende Anpassungen der eigenen Geschäftsmodelle“, sagt Erik Hansen, akademischer Leiter des Limak-MBA „Sustainable Business & Circular Economy“. 2021 wurde das MBA-Programm um diese Spezialisierung erweitert. Inzwischen gibt es an der Limak Global-Executive-, International-Executive- und Executive-Programme, die jeweils 18 Monate dauern. Zudem kann man die Management-Akademie „Sustainable Busi­ness“ innerhalb eines Jahres mit einem Zerti­fikat abschließen. Plus: Der Uni­versitätslehrgang „Sustainable Business & Circular Economy“ vermittelt in elf Tagen – berufsbegleitend und in Modulen geblockt – Kompetenzen, um Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen im Kontext sich wandelnder Märkte und Rahmenbedingungen zu gestalten.

Nachhaltigkeit und Volkswirtschaftslehre unter einen Hut zu bringen ist eine domänenübergreifende Angelegenheit. „Lösungen sollten auf allen gesellschaftlichen Ebenen erarbeitet werden. Dies fängt mit den täglichen Entscheidungen einer einzelnen Person an, zum Beispiel durch die bewusste Vermeidung von Plastikmüll, und endet mit großen internationalen Rahmenwerken, die den Umgang des Menschen mit der Umwelt regulieren“, sagt Stefan Borsky, führender Wissenschaftler der Economics of Climate and Environmental Change Research Group am Wegener-Center für Klima und globalen Wandel an der Universität Graz.

Hier können Interessierte das Fach „Umweltsystemwissenschaften – Volkswirtschaft“ studieren. Das Bachelorstudium vermittelt Fachwissen auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre mit besonderem Fokus auf nachhaltiger Entwicklung – in Bereichen wie Umwelt-, Ressourcen-, Energie-, Verkehrsökonomik und Klimapolitik. Studierende setzen sich etwa damit auseinander, „wie plötzliche Umweltveränderungen, wie sie durch den Klimawandel ausgelöst werden können, das ökonomische Gleichgewicht verändern und welche gesellschaftlichen Auswirkungen dies hat“, erklärt Borsky. Ebenso werde erforscht, wie physisch knappe natürliche Ressourcen sowohl ökonomisch als auch umweltethisch verwaltet werden können.

Gemeinwohlprodukt statt BIP

Dass sich Nachhaltigkeit in die Volkswirtschaft integrieren lässt, davon ist auch Christina Buczko überzeugt. Allerdings müssen laut der Leiterin der Gemeinwohlakademie andere Fragen gestellt werden. Die Expertin regt an, „die Leistung einer Volkswirtschaft an ihrem Beitrag zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele wie soziale Sicherheit, Wohlbefinden und ökologische Nachhaltigkeit zu messen. Zum Beispiel mit einem Gemeinwohlprodukt anstelle des Bruttoinlandsprodukts.“ Die OECD mit ihrem Better-Life-Index oder die Statistik Austria mit ihrem Projekt „Wie geht’s Österreich?“ hätten hier bereits erste Vorarbeiten geleistet.

„Des Weiteren sollten gemeinwohlorientierte Unternehmen gezielt gefördert werden, etwa mittels steuerlicher Erleichterungen oder einer Bevorzugung bei öffentlichen Aufträgen. Unter gemeinwohlorientierten Unternehmen verstehen wir jene, die mit ihrem unternehmerischen Tun aktiv an der Lösung gesellschaftlicher Probleme mitwirken, etwa im Bereich der Ökologie oder Sozialwirtschaft.“ Neben Infos und Webinaren zum Thema bietet die Gemeinwohlakademie den sechsmonatigen Lehrgang „Geld und Gemeinwohl“ an. „Dieser schafft grundsätzliches Wissen insofern, als erklärt wird, wie unser heutiges Geld- und Finanzsystem funktioniert, wie es wirkt und wie es verändert werden könnte“, sagt Buczko. Der Lehrgang mit acht ECTS-Punkten umfasst fünf Module, das letzte steht unter dem Motto „Aufbruch ins Neuland – mein Projekt, meine Initiative“.

Information

Ausbildungen zu nachhaltiger Volkswirtschaft:

MBA „Sustainable Business & Circular Economy“, www.limak.at/akademische-programme 

Studium Volkswirtschaftslehre (BA, MA) Master Economics, Sozialökonomie, www.wu.ac.at,

Studium „Umweltsystemwissenschaften – Volkswirtschaft“ (BA). www.uni-graz.at

Lehrgang „Geld und Gemeinwohl“, www.gemeinwohlakademie.at

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