Eröffnung

Computerchips sollen helfen, die Energiewende zu schaffen

In jeder Fotovoltaikanlage, in jeder Elektrolyseanlage zur Wasserstoff-Erzeugung und in jeder Batterie steckt auch Hochleistungselektronik.
In jeder Fotovoltaikanlage, in jeder Elektrolyseanlage zur Wasserstoff-Erzeugung und in jeder Batterie steckt auch Hochleistungselektronik.Imago / Imago
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Hochleistungselektronik bildet das Rückgrat vieler Anwendungen zur Gewinnung und Speicherung grüner Energie. Das Team eines neuen Christian-Doppler-Labors in Wien forscht daran, wie man diese Elektronik weiter verbessern kann.

Nachhaltig erzeugte Energie verstärkt nutzen – das gilt als Voraussetzung für eine Dekarbonisierung und letztlich für das Erreichen der Klimaneutralität. „Man darf aber nicht vergessen, dass zur Gewinnung und zur Speicherung von Strom aus erneuerbaren Quellen nicht nur elektrochemische Vorgänge notwendig sind, sondern dass in jeder Fotovoltaikanlage, in jeder Elektrolyseanlage zur Wasserstoff-Erzeugung und in jeder Batterie auch eine Hochleistungselektronik steckt, die alle notwendigen Vorgänge steuert“, sagt Markus Valtiner vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Er ist auch Leiter des diese Woche eröffneten Christian-Doppler (CD)-Labors für Oberflächen- und Grenzflächentechnologie. Valtiner: „Dort entwickeln und optimieren wir unter anderem Methoden, um diese Elektronik und damit die Nutzung grüner Energie noch effizienter zu machen. Denn anders wird die Energiewende nicht gelingen.“

Effizienz bedeute in diesem Fall vor allem, die Energieverluste bei der Gewinnung und bei der Speicherung zu minimieren. Erreicht werden soll das durch Verbesserungen bei der Herstellung der Halbleiter-Chips, die das Grundgerüst der elektronischen Schaltungen bilden. „Solche Chips bestehen aus mehreren Lagen. An den Grenzflächen zwischen diesen Lagen, wenn unterschiedliche Oberflächen aneinanderstoßen, kommt es zu Prozessen, die wir auf atomarer Ebene bis heute noch nicht ganz verstehen und die oft sehr schwer zu untersuchen sind. Ein verbessertes Verständnis dieser Phänomene könnte die Basis für Innovationen sein“, sagt Valtiner.

Weitgehend verlustfrei schalten

So wollen die Forschenden insbesondere Galliumnitrid und Siliciumcarbid, zwei aufgrund ihrer Kristalleigenschaften für den Einsatz in der Hochleistungselektronik hervorragend geeignete Materialverbindungen, unter die Lupe nehmen. Sie haben das Potenzial, dass sich mit ihnen sehr hohe Spannungen sehr schnell und weitgehend verlustfrei schalten lassen. Damit gelten sie als Hoffnungsträger für eine effiziente Gewinnung und Speicherung grüner Energie. „Das liegt an der Beweglichkeit und an der Dichte der Elektronen“, erklärt Valtiner. „Es gibt bei der Herstellung von Chips viele Prozesse, die diese Faktoren beeinflussen. Den Grenzen zwischen den einzelnen Lagen eines Chips kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Uns muss es gelingen, die dortigen Vorgänge zu nutzen, um im Rahmen der Herstellung Bedingungen zu schaffen, die die Elektronendichte erhöhen.“ Derart optimierte Grenzflächen wären „Elektronenschnellzüge“, wie Valtiner es nennt. „Die Schaltung wäre dann nicht nur hocheffizient, sondern hielte auch großen Belastungen stand.“ Ziel der Forschung sei es, den Energieverlust bei der Speicherung nachhaltiger Energie um rund 40 Prozent zu senken und mehr grüne Energie tatsächlich zu nutzen. Die Infineon Technologies AG, mit jährlich rund neun Milliarden in Villach produzierten Chips unter den Weltmarktführern, ist mit an Bord.

Ebenfalls dabei ist die Voestalpine. Für den weltweit agierenden Stahlkonzern mit Sitz in Linz wollen die Forschenden herausfinden, was passiert, wenn hochfeste Stahle feucht werden und Wasserstoff an deren Oberfläche sowie in weiterer Folge ins Innere gelangt. „Wenn wir diesen korrosiven Prozess besser kennen, können wir eine Versprödung des Materials verhindern“, so Valtiner.

Aus der Vergangenheit lernen

Die Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft betreibt zurzeit in 97 Laboren sowie 16 Josef-Ressel (JR)-Zentren anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf höchstem Niveau. Ein weiteres solches Zentrum wurde diese Woche eröffnet. An der FH Oberösterreich befasst sich ein Team rund um Patrick Brandtner vom Department of Logistics mit „prädikativer Analytik und datengetriebener Intelligenz in Wertschöpfungsnetzwerken“. Es geht um automatisierte Entscheidungsfindung im Lieferkettenmanagement.

Ziel sei es, datenbasierte Entscheidungshilfen zu bieten und Unsicherheiten systematisch zu reduzieren, so Brandtner. „Man schaut sich bestehende Daten an wie die Wetterlage, Inflationsrate und Zinsen, stellt Muster fest, wie die Daten zusammenhängen, was in der Vergangenheit zu Lieferengpässen geführt hat“, erläutert Brandtner. „Wir arbeiten stark mit Mustererkennung, lernen aus der Vergangenheit und leiten daraus die Zukunft ab.“

Lexikon

Galliumnitrid ist ein geruchloser Feststoff, der aus Gallium und Stickstoff besteht. Er ist ein Halbleiter und wird unter anderem in LED-Leuchten verwendet. In Verbindung mit Siliciumcarbid gilt Galliumnitrid als Technologietreiber in der Hochleistungselektronik. Seine elektrischen Eigenschaften sowie seine Strahlungs- und Wärmeresistenz geben dem Material zudem eine militärische und strategische Bedeutung. Der Weltmarkt wuchs im Vorjahr um rund 70 Prozent.

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