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Wie Österreich die verhasste Fördergießkanne loswird

Das Land hebt seinen Datenschatz nicht, sagt Statistik-Chef Tobias Thomas.
Das Land hebt seinen Datenschatz nicht, sagt Statistik-Chef Tobias Thomas. APA
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Österreich hebt seinen Datenschatz nicht, warnt Statistik-Chef Tobias Thomas. Effizienter Einsatz von Steuergeld wird so verhindert.

Wien. Die Wirtschafts- und Finanzminister der Republik haben es nicht leicht. Seit Jahren ist das Land im Dauerkrisenmodus. Und egal, ob Corona, Energiekrise oder simple Wirtschaftsflaute: Wann immer es etwas ernster wird, ist als Paradelösung meist nur die Förderung zur Hand. Der Bund hat in den vergangenen Jahren Milliarden an Krisenhilfen ausgezahlt, wirklich zufrieden war dennoch kaum jemand. Mangels exakter Daten über die tatsächliche Einkommenssituation der Menschen hat der Finanzminister in Summe zu viel Geld unters Volk gebracht, kritisieren Ökonomen seit Monaten. Für die, die Hilfe wirklich brauchen, reichte es mitunter aber nicht.

Zentrale Stelle für Daten

Ein ähnliches Problem hat Wirtschaftsminister Martin Kocher, wenn er heute ernsthaft in die Debatte über die steigenden Teilzeitquoten einsteigen will. Ihm liegen zwar Daten vor, wie viele Menschen in Österreich derzeit nicht Vollzeit beschäftigt sind. Ob sie nun aber 36 oder zwölf Stunden im Monat arbeiten, weiß er nicht. Das seien nur zwei „von vielen Lücken“, die es in der österreichischen Datenlandschaft gebe, sagt Statistik-Austria-Direktor Tobias Thomas. Zwar seien viele Daten im Land vorhanden, doch meist lagerten sie in Silos und könnten nicht verknüpft werden.

Geht es nach der EU, sollte dieses Problem schon längst behoben sein. Seit dem 24. September müssten die EU-Mitglieder den European Governance Act umgesetzt haben, der die Schaffung einer zentralen Stelle für den Zugang zu öffentlichen Daten in allen Ländern vorsieht. Österreich hat diese Vorgabe – wie einige andere EU-Länder auch – nicht einhalten können. „Im fünften Jahrzehnt der digitalen Revolution hebt das Land seinen Datenschatz noch immer nicht“, klagt Thomas.

Österreich hat erst im Sommer das Staatssekretariat für Digitalisierung im Finanzministerium als zuständige Instanz definiert. Bis Anfang 2024 sollen zumindest erste Vorschläge erarbeitet werden, wie Österreich die EU-Vorgabe halbwegs zeitnah umsetzen könnte. Konkret geht es um die Schaffung einer Stelle, über die der Zugang zu öffentlichen Daten organisiert wird – nicht darum, alle Daten an einer Stelle einzulagern.

Datenschutz neu diskutieren

Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas sieht sein Haus als prädestiniert für die Aufgabe, diese Art öffentlichen Datenkatalog bereitzustellen. Für den Wirtschafts­wissenschaftler kann das aber nur der erste Schritt sein. Er fordert auch eine nationale Datenstrategie ein, wie sie etwa die Europäische Union oder auch die Schweiz bereits implementiert haben.

Im Rahmen dieser Strategie müssten grundlegende Dinge wie der Zugang zum Datenschutz aufs Tapet kommen. Nicht nur der Schutz persönlicher Daten sei ethisch relevant. „Auch die Nichtnutzung von Daten muss ethisch diskutiert werden“, so Thomas. Immerhin gehe der Gesellschaft dadurch einiges an Wohlstand, Sicherheit und Gesundheit verloren.

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