Deutschland

Merkel und der „Schlag in die Magengrube“

Angela Merkel bei einer Preisverleihung in Portugal im Sommer.
Angela Merkel bei einer Preisverleihung in Portugal im Sommer.APA / AFP / Patricia De Melo Moreira
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Die Altkanzlerin wollte in ihrem ersten Fernsehinterview seit zwei Jahren über die DDR reden.

Sie wolle nur noch Wohlfühltermine machen, hatte Angela Merkel bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt auf einer Berliner Theaterbühne gesagt, nachdem sie aus dem deutschen Bundeskanzleramt ausgezogen war. Als wohlwollend können auch die rund zwölf Minuten gewertet werden, die Merkel nun vor den Kameras des ZDF saß – ihr erstes Fernsehinterview seit zwei Jahren. Der Moderator machte gleich zu Beginn klar, dass die Altkanzlerin selbst die drei Themen des Gesprächs vorgegeben hatte: die deutsche Einheit, Ostdeutschland und Zuwanderung.

Sie begann mit der Geschichte einer Kränkung, die sie in ihrer letzten Rede als deutsche Bundeskanzlerin angesprochen hatte: der Umgang mit der Biografie der 69-Jährigen, die mehr als die Hälfte ihres Lebens in der DDR stattfand. „Ballast“ hatte diese ein Historiker in einer Schrift für die Konrad-Adenauer-Stiftung genannt. „Es war wie ein Schlag in die Magengrube“, sagte Merkel nun im ZDF über den Moment, in dem sie diese Zuschreibung zum ersten Mal gelesen hatte. „Da habe ich mich entkernt gefühlt.“

Sie habe so wenig über die DDR gesprochen, weil sie Sorge vor „Stigmatisierung“ gehabt habe und diese Zeit nicht „wie eine Monstranz“ vor sich hertragen wollte. „Ich wollte die Kanzlerin aller Deutschen sein“, sagte Merkel im Fernsehinterview.

Viel Neues erfuhren die Zuschauer nicht: Es bekümmere sie, dass die Lautesten in der politischen Debatte den letzten Eindruck hinterlassen würden. Für AfD-Wähler wollte die Altkanzlerin „kein Verständnis äußern“. Dann versuchte sie noch den thematischen Brückenschlag zwischen den Ostdeutschen und Zuwanderern. „Es verbindet Menschen, die eine Minderheitenbiografie haben“, sagte sie. „Es gibt eine gewisse Tendenz, alles zu vereinheitlichen und damit auch zu verkürzen, deswegen plädiere ich für Vielfalt.“

„Nicht Populismus und Polarisierung“

Die Spitzenpolitik feierte den „Tag der Deutschen Einheit“ am Dienstag in Hamburg. Dort hielt der Präsident des Bundesrates, Peter Tschentscher (SPD), die Festrede. „Nicht Populismus und Polarisierung, sondern Gemeinsinn und Kooperation sind das Gebot der Stunde“, sagte er.

Auch der Bundespräsident gab anlässlich des 33. Jubiläums der Wiedervereinigung ein Interview. „Viele Ostdeutsche haben das Gefühl, dass sie nicht gehört und nicht gesehen werden“, sagte Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Die ostdeutschen Geschichten müssen mehr Teil unserer gemeinsamen Geschichte werden.“ Merkel wünschte sich im ZDF eine neue „Erzählung“ über Deutschland, die auch Zuwanderer einschließe. (zot)

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