Buch der Woche

Handküsse statt Hitlergruß: Der neue Kehlmann

Vorliebe für historische Figuren: Daniel Kehlmann, geboren 1975.
Vorliebe für historische Figuren: Daniel Kehlmann, geboren 1975.Foto: Heike Steinweg
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Georg Wilhelm Pabst zählte zu den bedeutendsten Filmre­gisseuren der Weimarer Republik und drehte auch in Hollywood, ehe er im Dritten Reich strandete. Ein idealer Stoff für Daniel Kehlmann und seinen Roman „Lichtspiel“.

Kehlmanns Roman beginnt mit einem erzählerischen Virtuosenstück: Der greise, an Demenz im fortgeschrittenen Stadium leidende Regisseur Franz Wilzek erlebt seinen Auftritt in Heinz Conrads’ picksüßer Plaudersendung als verwirrendes Desaster: Irgendetwas ist schiefgegangen, aber was? Der Leser war live dabei: Wilzek, der Vergessliche, wird vom unerträglich aufgeräumten Showmaster nach etwas gefragt, das er absichtlich vergessen hat und dessen Existenz er deshalb heftig bestreitet: Der Film „Der Fall Molander“ von Georg Wilhelm Pabst, gedreht in den letzten Kriegswochen in Prag, blieb unvollendet und ist bis heute verschollen (manche vermuten seine Rohfassung im staatlichen Filmarchiv in Prag). Wilzek, damals Assistent des berühmten Regisseurs, kann es nicht verwinden, dass man Hunderte Komparsen offensichtlich aus KZ-Häftlingen rekrutiert hat – eine dichterische Freiheit des Romanautors, die wie auch andere einer gewissen historischen Logik nicht entbehrt. Gegenüber dem konsternierten Heinz Conrads beharrt Wilzek Jahrzehnte später darauf, dass es diese Dreharbeiten nie gegeben habe, und bringt seinen Gastgeber zur (professionell beherrschten) Weißglut.

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