Femizide

Zwei Frauen binnen zwölf Stunden in Wien getötet

In den beiden Bezirken Leopoldstadt und Liesing sind zwei Frauen mutmaßlich von ihren Partnern getötet worden.
In den beiden Bezirken Leopoldstadt und Liesing sind zwei Frauen mutmaßlich von ihren Partnern getötet worden. APA / Max Slovencik
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In beiden Fällen dürften die Frauen von ihren Lebensgefährten getötet worden sein. Einer beging danach Suizid, der andere schwebt nach einem Suizidversuch in Lebensgefahr.

Am Freitag sind zwei Fälle von getöteten Frauen in Wien bekannt geworden. Es dürfte sich um Femizide handeln. Eine 34-jährige Frau ist in Wien-Liesing getötet worden. In Wien-Leopoldstadt ist eine 54-Jährige erstochen worden. In beiden Fällen dürften die Lebensgefährten die Täter sein.

Die 34-Jährige wurde am Donnerstag gegen 17.00 Uhr in einer Doppelhaushälfte mit Schnittverletzungen tot aufgefunden. Ihr Partner dürfte versucht haben, Suizid zu begehen. Er wurde in die Intensivstation eines Krankenhauses eingeliefert und schwebt in Lebensgefahr.

Geldprobleme als mögliches Motiv

Angehörige des 63-Jährigen hatten sich Sorgen gemacht und deshalb die Polizei verständigt. Mit Hilfe der Feuerwehr verschafften sich Beamte Zutritt zu dem Haus des Paares. Im ersten Stock fanden sie „sowohl die Frau als auch den Mann am Boden liegend vor“, berichtete Dittrich. Der Körper der 34-Jährigen wies Schnitt- und Stichverletzungen auf. Der Notarzt konnte nur mehr den Tod der Frau feststellen.

Der 63-Jährige war noch am Leben und wurde von der Berufsrettung Wien notfallmedizinisch versorgt. Die Feuerwehr unterstütze mit einer Drehleiter den Abtransport des Schwerverletzten aus dem Obergeschoß des Haues. Anschließend wurde der Mann mit dem Wiener Rettungshubschrauber in ein Spital gebracht. Er liegt mit lebensgefährlichen Verletzungen auf der Intensivstation.

Eine 34-jährige Frau ist in Wien-Liesing offenbar von ihrem 63-jährigen Lebensgefährten getötet worden.
Eine 34-jährige Frau ist in Wien-Liesing offenbar von ihrem 63-jährigen Lebensgefährten getötet worden. APA / Max Slovencik

In unmittelbarer Umgebung der beiden Personen wurden zwei Messer sichergestellt. Aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse gehen die Ermittler von einem Gewaltverbrechen aus, das der 63-Jährige begangen haben dürfte, schilderte Dittrich. Als Motiv wurden vorerst Geldprobleme vermutet. Das Landeskriminalamt Wien, Außenstelle Süd, führt die weiteren Ermittlungen.

Mehrere Messerstiche

Beim zweiten Fall verschaffte sich die Wega am Freitagvormittag nach besorgten Anrufen von Verwandten der Frau Zutritt zu der Wohnung am Mexikoplatz. Die Beamten fanden das Opfer leblos mit Stichverletzungen vor. Kurz zuvor dürfte der 64-jährige Ehemann Suizid begangen haben. Die Frau wies mehrere Messerstiche auf, erläuterte Polizeisprecher Markus Dittrich an Ort und Stelle. Das Tatmesser lag am frühen Nachmittag noch in der Wohnung und sollte kriminaltechnisch untersucht werden.

Die Einsatzkräfte waren gegen 9.15 Uhr alarmiert worden. Ehemann der Getöteten wurde noch von der Berufsrettung Wien notfallmedizinisch versorgt, sein Leben konnte jedoch wie das der Frau nicht mehr gerettet werden. Derzeit gehen die Ermittler von einem Tötungsdelikt durch den 64-Jährigen an seiner Frau aus. Das Landeskriminalamt, Außenstelle Zentrum/Ost, führt die weiteren Ermittlungen.

Polizei am Tatort in Wien-Leopoldstadt.
Polizei am Tatort in Wien-Leopoldstadt.APA / Max Slovencik

Heuer bereits 19 Femizide

Laut Auflistung des Vereins Autonome Frauenhäuser in Österreich (AFÖ) handelt es sich mutmaßlich um den 18. und 19. Femizid in diesem Jahr in Österreich. Gezählt werden tödliche Bluttaten an Frauen durch (Ex-)Partner oder Familienmitglieder oder durch Personen mit Naheverhältnis zum Opfer.

Die mit Abstand meisten Femizide werden in Österreich von (Ex-)-Partnern der Opfer begangen. Einer Studie des „Instituts für Konfliktforschung“, die die Femizide in Österreich untersucht hat, waren die Partner in 74 Prozent der Fälle die Täter. Bei rund 30 Prozent dieser Morde war demnach eine Trennung ausschlaggebend.

In etwa 30 Prozent der Fälle von Frauenmorden und -mordversuchen war eine mitunter jahrelange Gewaltvorgeschichte aktenkundig. Etwa ein Viertel der Opfer hatte den gewalttätigen (Ex-)Partner bereits angezeigt. Rund zehn Prozent der Täter waren bereits einmal wegen Gewalt gegenüber der (Ex-)Partnerin verurteilt.

Großteil der Täter sind Österreicher

Bei der Studie wurden auch Hochrisikoindikatoren bei Tätern ausgewertet. Diese zu erkennen, wäre wichtig für eine mögliche Prävention. Bei rund 47 Prozent lagen demnach psychische Erkrankungen vor, „traumatische Erfahrungen“, dazu zähle etwa auch Arbeitsplatzverlust bei rund einem Drittel. Ebenso viele hatten bereits körperliche und sexualisierte Gewalt ausgeübt, mehr als ein Viertel psychische Gewalt. Weitere häufige Faktoren seien Waffenbesitz (22 Prozent) und patriarchales Denken (ca. 20 Prozent). Zudem wurden Morddrohung, ökonomische Abhängigkeit, Suiziddrohung und Substanzenmissbrauch genannt, wie die Autorinnen Viktoria Eberhardt und Brigitte Temel (Projektleitung Birgitt Haller) schrieben.

Aufgeschlüsselt nach Nationalitäten hatten 72 Prozent der Täter in den untersuchten Fällen die österreichische Staatsbürgerschaft, davon ca. 57 Prozent autochthon, fünf Prozent waren EU-Bürger, 19 Prozent Bürger von Drittstaaten, zwei Prozent staatenlos, bei einem Prozent gab es keine Angaben.

Immer mehr legale Schusswaffen

Die meisten tatverdächtigen Personen (33,5 Prozent) verwendeten im Zuge des Angriffs eine Stichwaffe. Beinahe ebenso häufig (31,3 Prozent) wurde die Tat ohne eine Waffe verübt. Eine Schusswaffe erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat tödlich endet, enorm: 57 der 92 Opfer (62,6 Prozent) eines Angriffs mit Schusswaffengebrauch starben - ein Angriff mit einer Stichwaffe endete für 36,7 Prozent der Opfer tödlich.

Im Vergleich der Zeiträume 2010 bis 2016 und 2017 bis 2020 sei deutlich geworden, dass zunehmend mehr legale Schusswaffen zum Einsatz kommen: Zunächst sei nur rund jede vierte verwendete Schusswaffe legal gewesen, in den letzten vier Jahren des Untersuchungszeitraums lag ihr Anteil hingegen bei 46,6 Prozent. (APA/Red.)

Hilfe für Frauen

Hier finden Frauen, die Gewalt erleben, in Österreich unter anderem Hilfe und Informationen:

Frauen-Helpline: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at

Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF): www.aoef.at

Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at

24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719

Frauenhaus-Notruf: 057722

Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217

Polizei-Notruf: 133

Hilfe bei Suizidgefahr

Es gibt eine Reihe Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken.

Telefonische Hilfe gibt es auch bei:

Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 10-17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 71 55
Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr): 01/313 30
Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos): 142
Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder & Jugendliche): 147
Gesprächs- und Verhaltenstipps: bittelebe.at

Hilfe für Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige bietet auch der noch recht junge Verein „Bleib bei uns“. www.bleibbeiuns.at

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