Interview

Radikale Philosophie: Sollen wir Menschen überhaupt sein?

Wir sind zu viele Menschen auf diesem Planeten. Und intelligent sind auch Kraken und Delfine – wenn sie nicht aus Plastik sind, wie in diesem Schwimmbad in China.
Wir sind zu viele Menschen auf diesem Planeten. Und intelligent sind auch Kraken und Delfine – wenn sie nicht aus Plastik sind, wie in diesem Schwimmbad in China. Getty
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Was digitale Maschinen aus uns machen, warum Kultur ein Umweg ist, ob Panikmache in der Klimakrise hilft und wie es sich anfühlt, mit Kraken zu schwimmen: Ein Gespräch mit dem Günther-Anders-Experten Christian Dries.

Die Presse: In seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“ klagte der Philosoph Günther Anders über Atomkraft und Fernsehen. Ist das nicht selbst antiquiert? Warum ein Interview mit einem Anders-Experten lesen? Uns beschäftigen die Klimakrise, KI und asoziale Medien. 

Christian Dries: Wenn man einen Philosophen wie Günther Anders ernst nimmt, erzählt man ihn nicht nach. Man sollte ihn weiterdenken, die neuen Phänomene mit seiner Methode aufschlüsseln.

Versuchen wir es. Zum Beispiel: Was sagt es über uns aus, dass wir Fitnesstracker tragen, die uns ständig melden, ob unser Tempo und unsere Körperfunktionen idealen Vorgaben entsprechen? 

Es ist ja nicht problematisch, dass wir uns verbessern, übersteigen wollen. Schon die Männer in der Antike betrieben Bodybuilding. Der Renaissancemensch wollte gebildeter, tugendhafter werden, um Gott näher zu kommen. Das Problem ist, dass wir nicht mehr uns als Personen zum Maßstab machen, sondern die Maschinen. Unser Gefühl zählt nicht mehr: Habe ich heute noch Lust zu laufen? Ruft der Berg? Nein, die Maschine ruft: „Du hast heute noch nicht deine tausend Schritte gemacht.“ Ich höre nicht auf meinen Körper, sondern glaube den Daten, halte sie für die Realität, weil sie sich objektivieren lassen. Diese Logik der Leistung, des Messens, des Vergleichens ist die Logik der Maschinen. Wir wenden sie auf uns an. Und damit geben wir die Kontrolle ab.  

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