Premiere im Ronacher

Falco in der Musical-Maschine: „Rock Me Amadeus“

Auch die Bühne des guten alten U4 kommt auf die Bühne: Szene aus „Rock Me Amadeus“. In der Mitte: Katharina Gorgi als Isabella, Moritz Mausser als Falco.
Auch die Bühne des guten alten U4 kommt auf die Bühne: Szene aus „Rock Me Amadeus“. In der Mitte: Katharina Gorgi als Isabella, Moritz Mausser als Falco.Imago / (c) Kurt Piles
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Das Produzenten-Team Bolland & Bolland, einst Produzenten von Falcos größtem Hit, hat nun mit VBW-Intendant Christian Struppeck aus seiner Lebensgeschichte das Musical „Rock Me Amadeus“ gemacht. Inhaltlich platt, optisch gelungen, musikalisch teils grässlich.

Mit „Rock Me Amadeus“ zündete einst 1995 die zweite Karriere-Stufe von Hans Hölzel vulgo Falco. Textlich war die Aneignung des Mozart-Mythos herrlich frech, die musikalische Hülle war vor allem eingängig, ihr fehlte die schlaue Coolness von Falcos ersten beiden Alben. Geschneidert hatten sie, anfangs wider Falcos Willen, die holländischen Brüder Rob und Ferdi Bolland. Über ein Vierteljahrhundert nach Falcos Tod haben sie nun im Wiener Ronacher das Musical „Rock Me Amadeus“ präsentiert, gemeinsam mit Christian Struppeck, Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien, der das Buch verfasst hat.

Es zeichnet die Lebensgeschichte Falcos, die ja wirklich etwas Märchenhaftes an sich hat, garniert mit einer Menge platter Lebensweisheiten. Weil sich zu diesen durchaus nicht immer Falco-Songs finden ließen, haben Bolland & Bolland ein paar neue Lieder dazu geschrieben. Etwa „Leb deinen Traum“, Falcos Frau Isabella in den Mund gelegt: „Du musst dir nur selber vertrauen“, singt sie da etwa in einer dick auftragenden Powerrock-Ballade, oder: „Hör nie auf, nach vorne zu schauen.“ Nicht dass Falco immer geschmacksicher war, aber vor solchen Stammbuchsprüchen, wie sie heute etwa von Helene Fischer deklamiert werden, hätte er ziemlich sicher Reißaus genommen. Im neuen Musical muss er später, gemeinsam mit Isabella, ein noch kitschigeres Lied namens „Du bist mein Zuhaus“ singen. Darauf kann nur noch Las Vegas folgen.

Ein Alter Ego namens Mephisto

Ebenfalls aus der zeitgenössischen Werkstatt von Bolland & Bolland stammt „I Am You“, das Falco im Duett mit seinem zweiten Ich singt, einer Mephisto-Figur, inspiriert von Falcos Song „Dance Mephisto“. Dieses Alter Ego verführt ihn, erraten, dazu, das traute Heim zu verachten, das ihm Isabella bietet, und sich stattdessen der Dekadenz zu verschreiben. Die ihn folgerichtig, nachdem er seinen – wirklich großartigen, übrigens wieder ohne Bolland & Bolland entstandenen – letzten Hit „Out Of The Dark“ gesungen hat, ins frühe Grab bringt.

Mit einem Vorausblick auf den Tod bzw. die Totenmesse – konterkariert mit dem kanonischen Falco-Zitat „Die Lebenslust bringt dich um“ – beginnt das Musical bereits, es folgt eine Szene mit Falco als Bub, der seinen Mitschülern beibringt, „Nie mehr Schule“ zu singen. Wer die Käsesemmel-Adaption dieses Songs nicht gehört hat, könnte sagen, dass das eine halbwegs gute Idee war. Der penetrant sorgenden Mutter („Du sollst es einmal besser haben“) schleudert der altkluge Bub seinen Vorsatz „Ich will aber Popstar werden“ entgegen, dem steht zunächst noch der restriktive Drahdiwaberl-Bandleader entgegen, doch bald setzt sich das Talent durch, erstaunlicherweise mit dem späten Falco-Song „The Sound of Musik“. „Ganz Wien“ und „Der Kommissar“ werden vergleichsweise kurz angespielt, man wird den Verdacht nicht los, dass Bolland & Bolland die Songs, bei denen sie mitgewirkt haben (und für die sie wohl Tantiemen kassieren), bevorzugt behandeln.

Conchita-Look zu „Junge Römer“

Die weitere Story wird im Großen und Ganzen folgerichtig erzählt, einige besonders triviale Dialoge („Sie sind ein Träumer, Herr Hölzel!“ – „Sind nicht alle großen Künstler Träumer?“) tun weh, der Kennenlern-Dialog mit Isabella ist dagegen recht witzig. Ein Bonus dieser Uraufführung ist die optische Gestaltung: Etliche Szenen spielen sich in würfelförmigen Boxen ab, die mit Neonlicht gerahmt sind. Auch die Farben sind grell und klar, im Stil von Lokalen der frühen Achtzigerjahre, in denen Falco groß wurde. Es wird viel mit ironisierten Versatzstücken gearbeitet, erst im zweiten Teil wird das manchmal zu platt, etwa wenn der ganze Chor zu „America“ in Cowboyhüten schunkelt. Dass einige Choristen zu „Junge Römer“ im Trans-Look à la Conchita posieren, scheint halbwegs originell.

Dass die Falco-Songs in der Bearbeitung für ein Musical-Orchester einiges an Verve und Drive verlieren, war zu erwarten, gerade bei „Junge Römer“ schmerzt das besonders. Der junge Moritz Mausser in der Hauptrolle singt die Songs großteils gut. Noch genauer einstudiert hat er den Sprachduktus und die Gestik, die Falco in seinen öffentlichen Auftritten kultivierte, stellenweise scheint es, dass er mehr eine Falco-Karikatur als einen Falco spielt, aber wer kann von sich sagen, den Unterschied wirklich zu kennen? Deutlich zu treuherzig, zu wenig cool wirkt er, doch das passt gut zur gesamten Anmutung dieses Musicals.

Musical-Mephisto als zweites Ich

Tania Golden muss Falcos Mutter als ziemlich grobe Parodie, übertrieben schönbrunnerisch näselnd, zeichnen; Katharina Gorgi spielt und singt die Isabella mit viel Schmelz und Schmalz; Alex Melchior als Alter Ego ist ein Musical-Mephisto, wie man sich ihn vorstellt, struppig, frech und glitzernd. Seine bessere Ich-Hälfte wird am Schluss zwar nicht vom ewig Weiblichen hinangezogen, dafür singen alle gemeinsam noch einmal „Coming Home“. Dieser Falco-Song, im Original eine ziemlich abgründige Fortsetzung der Mädchenmörder-Ballade „Jeanny“, wird hier zum Kehrreim der Trivialisierung eines Pop-Mythos, der einmal ein Leben war. Man kann auch Aneignung dazu sagen.

„Muss ich denn sterben, um zu leben?“, heißt es legendärerweise in Falcos letztem Hit „Out Of The Dark“. Nach Ansicht von „Rock Me Amadeus“ darf man bitter konstatieren: Zumindest musste Falco sterben, um Hauptperson eines solchen Musicals zu werden; denn als Lebender hätte er sich dagegen nach Kräften gewehrt.

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