Neudeutung

Roger Waters’ neues „Dark Side Of The Moon“: Nicht jeder Alte ist auch weise

Ex-Pink-Floyd-Supremo Roger Waters hat einen Klassiker neu aufgenommen.
Ex-Pink-Floyd-Supremo Roger Waters hat einen Klassiker neu aufgenommen. Imago / Imago Stock&people
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Der 80-jährige Roger Waters verwandelte mit seiner umstrittenen Neudeutung von „Dark Side Of The Moon“ einen Popklassiker in eine Art Hörspiel. Das Ergebnis geriet zwiespältig.

Alte Männer können ganz schön störrisch werden. Vor wenigen Jahren hat der Ire Van Morrison seinen jugendlichen Geniestreich „Astral Weeks“ neu aufgenommen. Jetzt tat es ihm Ex-Pink-Floyd-Supremo Roger Waters gleich. Das 1973 eingespielte „Dark Side Of The Moon“ gilt als sakrosankt. Es verkaufte sich 45 Millionen Mal und war nicht weniger als 981 Wochen in den Billboard-Charts. In beiden Fällen sorgten sich die Fans im Vorfeld, waren zum Teil sogar wütend. Prinzipiell kann es ja hochinteressant sein, wenn Musiker Jugendwerke mit dem reifen Blick der späten Jahre reinterpretieren. Im Falle von Morrison war es zudem reizvoll zu hören, wie die gänzlich andere Stimme, die er heute hat, durch die engen Kurven der patinierten Melodien kam. Das Ergebnis, ein Livealbum aus der Hollywood Bowl, überzeugte.

„Dark Side Of The Moon – Redux“ geriet hingegen zwiespältig. Was vor allem an den zusätzlichen Texten liegt, die der politische Rappelkopf Waters dem Werk zugemutet hat. Vielleicht lag es an der Wurschtigkeit, die mit dem Alter einhergeht. Als Endsiebziger hat Waters „Essays After Eighty“ des amerikanischen Autors Donald Hall mit viel Gewinn gelesen. Darin hielt der Autor fest: „Das Alter ist ein einziger Festakt der Verluste.“ Beim erstmaligen Hören von „Redux“ stellt sich jedenfalls ein gewisser Phantomschmerz ein. Die glühenden Gitarren David Gilmours fehlen genauso wie die gospeligen Frauenstimmen. Waters’ Altersstimme strahlt nur den Bruchteil jenes Charismas aus, den Morrisons erstaunliches Organ entwickelt. Schon gar nicht, wenn Waters aus neuen, bedeutungsschwangeren Texten rezitiert. Etwa in „On The Run“, das im Original von kühn blubbernden Synthesizersounds lebt, die dann jäh ins Gebimmel von „Time“ übergingen.

Waters’ Schwäche bleibt sein Sendungsbewusstsein

Die neue Version ist allerdings nicht völlig frei von Reizen. Die Milde, mit der Waters durchs Szenario schleicht, ist durchaus anheimelnd. Die an dieser Stelle wunderbar köchelnde Orgel spielt der amerikanische Meistermusiker Jonathan Wilson, ein Mann, der in den letzten Jahren immer wichtiger für Waters geworden ist. Er prägte die herbstliche Liedersammlung „Is This The Life We Really Want?“ und zuletzt auch Waters’„Lockdown Sessions“, die u.a. mit einer dystopischen Neudeutung von „Comfortably Numb 2022“ erfreuten. Wilson bringt Waters wieder auf alte Pfade zurück, in Soundscapes, wo er er seinen musikalischen Instinkten ungehindert nachkommen kann.

Die Schwäche von Waters bleibt sein Sendungsbewusstsein, zumal seine aktuellen Einsichten alles andere als mehrheitsfähig sind. Dass sich Waters, wie etliche andere prominente britische Popmusiker von CocoRosie bis Brian Eno der israelkritischen BDS-Kampagne anschloss, mochten manche noch tolerieren. Dass er sich aber heuer von Vladimir Putin vor den Karren spannen ließ und ganz in dessen Sinne vor dem UN-Sicherheitsrat Nato und USA als Hauptaggressoren im Ukraine-Krieg ausmachte, war für ein Gros der Fans doch ein bisschen zu viel.

Die wird Waters mit seiner Neudeutung von „Dark Side Of The Moon“ wohl nicht erreichen. Angetan hat er sich die ganze Sache, weil die ursprüngliche Message nicht ankam. „That’s why I started to consider what the wisdom of an 80 years old could bring to a re-imagined version.” Die Fantasie von Waters simmerte erwartungsgemäß auf kleiner Flamme. Von Weisheit keine Spur. Am ehesten noch in einem Selbstzitat, das er ganz an den Anfang stellte. Zu sanftem Puls und milden Synthieseufzern wiederholt er eine Zeile aus „Free Four“ vom Album „Obscured By Clouds“ von 1972. Sie lautet: „The memories of a man in his old age are the deeds of a man in his prime.” Noch besser wäre es, der alte Waters würde sich an seine früheren, idealistischen Gedanken erinnern. Er dürfte zu jener raren Spezies zählen, die in ihrer Jugend weiser waren als im Alter.

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