KI-Musik ist Datenklau

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Fotos, die von einer KI erstellt werden, sind längst Alltag im Internet. Es scheint, als ob nun künstliche Intelligenz auch die Musik-Hits von morgen schreiben soll.

Noch ist kein Jahr vergangen, als mit Chat GPT erstmals eine künstliche Intelligenz auf die Menschheit losgelassen wurde. Allerdings stellen KI-Systeme keine neuen Inhalte her, sondern sammeln Unmengen an Informationen aus dem Internet und basteln je nach Aufgabenstellung etwas „Neues“. Das Ergebnis sind digitale „Kunstwerke“ im Stil von van Gogh, „Fotos“ von Prominenten, die verhaftet werden, oder Texte im Stil bekannter Schriftsteller. Deshalb ging bei Autoren in Hollywood die Angst um, dass künstliche Intelligenzen nicht bloß bestehende Werke kannibalisieren – auch jene der Hollywood-Schreiber selbst – und zu neuen Drehbüchern und Skripts zusammenstellen, sondern sie irgendwann ersetzen könnten.

Musik aus der KI-Dose.

Nun droht eine neue digitale Götterdämmerung: KI soll Musik schreiben und die Hits von morgen erschaffen. Das Prinzip ist das gleiche wie bei Bildern und Text: Bestehende Musikstücke werden eingesammelt, in ihre Bestandteile zerlegt und neu zusammengesetzt. Was herauskommt, erinnert zum Teil sehr stark an die Stimmen berühmter Stars oder den Stil bekannter Bands. Natürlich stellt sich – wie bei Fotos, Videos und Texten – die Frage nach den Copyrights, also nach den Urheberrechten derer, die das Originalmaterial schufen, das KIs als Grundlage für ihre „neuen“ Werke verwenden. Das Thema ist längst bei der AKM, die sich um die Vergütung für Komponisten, Songschreiber und Musikverlage kümmert, wenn Musik bei Konzerten, Veranstaltungen oder in Clubs gespielt, in Cafés, Restaurants und Einkaufszentren als Hintergrundmusik verwendet, im Radio oder Fernsehen gesendet oder im Internet zur Verfügung gestellt wird.

Für Peter Vieweger, Präsident der AKM und legendärer Gitarrist, der unter anderem für Falco in die Saiten griff, basiert KI-generierte Musik schlichtweg auf Diebstahl: „Grundsätzlich muss man sich überlegen, was man als Musiker oder Komponist will. Möchte man möglichst organische Musik machen, dann wird man sich von KI fernhalten, denn bei KI handelt es sich um vorgegebene Elemente durch Datenklau. Datamining ist nichts anderes als ein Abgreifen und Stehlen von Urheberrechten. Das ist wenig reguliert.“ Die Folge ist das repetitive Nutzen der vorhandenen Möglichkeiten – die auf bestehenden Musikstücken basieren – und dass die allgemeine Popmusik immer flacher, austauschbarer und schlussendlich ungewollt vereinheitlicht wird. „KI greift immer auf die gleichen, zuvor abgegriffenen Daten zu und schafft per se nichts Neues“, so Vieweger.

»KI greift immer auf die gleichen, zuvor abgegriffenen Daten zu und schafft per se nichts Neues.«

Peter Vieweger

Präsident der AKM

Die Gleichmacher-Software.

Wo Vieweger auf den ersten Blick einen Hype ortet, der wieder abflachen wird, stellt sich eine essenzielle Frage. „Ist ein Kultur- und Musikland wie Österreich nicht geradezu herausgefordert zu erkennen, dass die Individualität der Künstler ein ganz wesentlicher wertvoller Faktor ist?“, stellt der AKM-Präsident in den Raum und warnt: KI macht gleich und nimmt die Individualität des Künstlers weg.

Abseits des moralischen Aspekts geht es natürlich bei KI im Music-Biz um finanzielle Interessen. Vieweger fühlt sich an die Nuller-Jahre erinnert: „Google hat damals versucht, mit den Creative Commons das Urheberrecht abzuschaffen.“ Dabei sollten Kreative Verträge unterschreiben, ihre Werke im Internet zur Verfügung stellen und lebenslang nie Geld dafür bekommen. „Darauf ist kaum jemand eingegangen, das war damals ein Riesen-Hype und heute spricht niemand mehr davon“, weiß Vieweger. Bis etwa zum Jahr 2010 war die EU ebenfalls auf dieser Linie, was de facto die Ablöse der Urheberrechtsgesellschaften durch das Internet bedeutet hätte. „Innerhalb von nur zwei Jahren hatte sich diese Haltung um 180 Grad gedreht und man erkannte, dass das, was vom Silicon Valley kommt, nicht unbedingt den Künstlern in der EU hilft, sondern im Gegenteil.“ Die Folge war die Copyright-Directive. Sie untersagt es Onlineplattformen, unlizenzierte und urheberrechtlich geschützte Werke im Namen ihrer User zu verbreiten – was sämtliche Musik-Tauschbörsen im Internet betraf und ihr Geschäftsmodell erschwerte.

Peter Vieweger - Präsident der AKM
Peter Vieweger - Präsident der AKM© Eva Kelety

Urheberrechtliche Grauzone.

Wie damals muss sich das Urheberrecht neuen Technologien anpassen. Das Urheberrechtsgesetz schreibt in §1 fest, dass eine eigentümliche geistige Schöpfung vorhanden sein muss, damit sie urheberrechtlich relevant ist. „Das kann aber nicht so ausgelegt werden, dass darunter Musikstücke fallen, die durch eine KI erstellt werden“, warnt Vieweger. „Man kann das Gesetz nur in diese Richtung verdrehen und ich befürchte, dass internationale Entwicklungen das befeuern werden. Wir werden allerdings mit Sicherheit keinen Wahrnehmungsvertrag mit einer Software-Firma abschließen, die eine Software zur Verfügung stellt und, wenn ein Hit herauskommt, die Tantiemen kassiert.“

Es stellt sich die Frage, wie der Gordische Knoten gelöst werden kann. „Wir befinden uns in einer urheberrechtlichen Grauzone, denn es existiert derzeit keine effektive Software, die erkennt, ob ein Musikstück von einer KI zusammengestellt wurde oder nicht“, so Vieweger. „Also wird es wesentlich sein, digitale Wasserzeichen zu verwenden, die verhindern, dass eine KI Musiktitel im Internet erkennt und sie abgreifen kann.“ Damit könnte das Datamining verhindert und KI-Systemen die Grundbausteine für „neue“ Musik entzogen werden: „Breitenwirksam eingesetzt ist damit die Möglichkeit, etwas Interessantes zu finden, geringer. Solang eine Goldgräberstimmung herrscht und alles zusammengeklaut werden kann, bleibt es interessant. Wenn das Meer, das für Datenmining zur Verfügung steht immer kleiner wird, wird auch das Geschäftsmodell nicht mehr interessant sein. Spotify schützt Musiktitel bereits auf diese Weise vor dem Abgreifen.“

KI dürfte, wenn man Vieweger folgt, nicht zum Totengräber der Rockbands und begnadeten Musiker werden. „Ein Urbedürfnis vor allem bei jungen Menschen ist, mit Musik zu ventilieren. Als Mitglied des Vorstandes des österreichischen Musikfonds weiß ich, dass es erstaunlich tolle Künstler gibt.“ Es sei eine philosophische Frage, wie weit KI-gemachte Musik toleriert wird. Vieweger: „Meine Position ist, dass man es überhaupt nicht tolerieren sollte. Eine Komposition sollte eine Komposition bleiben, bei der sich ein Künstler anstrengt und eine Woche braucht, bis das Ergebnis nach etwas klingt. “

Medien wehren sich gegen KI

Chat GPT und ähnliche KI-Systeme lernen von jenen Informationen mit denen sie gefüttert werden. Diese Daten sammeln sie selbstständig aus dem Internet. Dabei kommen sogenannte Open AI Crawler zum Einsatz. Ob Inhalte – wie Texte, Fotos, Videos oder Musik – urheberrechtlich geschützt sind, spielt keine Rolle. Einer der Gründe, weshalb sich Urheber und Medienunternehmen für eine Regulierung von KI und gegen die Verwendung von Kontext durch KI-Systeme einsetzen. Natürlich sind Medienunternehmen längst selbst tätig geworden, um das Absaugen von Daten zu verhindern. Die „New York Times“, CNN, Reuters, die „Washington Post“, Bloomberg und „The Guardian“ etwa verhindern bereits, dass Open AI Crawler sich an ihren Inhalten bedienen können. Wie der CNN-Newsletter „Reliable Sources“ berichtet, haben sich unter anderen Unternehmen wie Disney, Vox Media und ABC News der Blockade angeschlossen. Open AI selbst verlautbarte im August, dass bereits 26 Prozent der weltweiten Top 100 Websites und 242 der Top 1000 verhindern, dass sich die KI-Datensammler auf ihren Seiten herumtreiben können.

Allerdings sind sich auch Experten noch nicht einig, ob diese Taktik zum Erfolg führen wird. Denn eine der Möglichkeiten, den Open AI Crawler auszusperren, ist, dass man die IP-Adresse der Seite bei Open AI meldet und den Zugriff sperren lässt. „Das stellt ein langfristiges Problem dar und dafür gibt es keine kurzfristige Lösung“, wird Matt Rogerson von der Guardian Media Group zitiert. Die KI-Anbieter sind aber nicht die Einzigen, die sich der Webcrawler bedienen. Sowohl Google als auch Microsoft benutzen sie zur Indexierung von Inhalten, damit sie in ihren Suchmaschinen gelistet und gefunden werden können. Microsoft bietet – im Gegensatz zur Opt-out-Möglichkeit bei Google – einen Code an, der in die Programmierung einer Webseite integrierbar ist und den Zugriff beschränkt.

Eine einfache aber erfolgversprechende Taktik wendet die New York Times an. In den Nutzungsbedingungen ist seit einem Monat festgeschrieben, dass Inhalte nicht zum Machine Learning oder zum Training von KI-Systemen genutzt werden dürfen. Bei Verstößen wolle man klagen.

KI-Entwickler bleiben nicht tatenlos und versuchen eine Art Paradigmenumkehr: So hat etwa Google angeregt, die Copyright-Gesetze in Australien in die Richtung zu überarbeiten, dass ihr KI-System Bard solang Daten sammeln darf, bis der Urheber Einspruch erhebt.

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