Per KI zum neuen Mitarbeiter

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Von der Ausschreibung über die Vorselektion bis zum Matching-Algorithmus, KI macht Recruiting effizienter.

Auf der einen Seite schwitzen hoffnungsvolle Kandidaten über der Frage, was ihre größten Stärken sind, auf der anderen wühlen sich Recruiter und HR-Kräfte durch tabellarische Kenntnisbekundungen und Bewerbungsfloskeln. Wäre es nicht schön, wenn es etwas gäbe, mit dem man diesen langwierigen Prozess abkürzen könnte? Effizienter gestalten? Und so wandert der Blick von Recruitern, Unternehmen und Bewerbern gleichermaßen in Richtung der künstlichen Intelligenz.

Schon bei der Ausschreibung kann sie behilflich sein, weiß Julian Maly, Geschäftsführer der Personalberatung Maly und Partner: „Beim Erstentwurf einer Job-Ausschreibung kann per KI ein Grundgerüst generiert werden, von dem man sich inspirieren lassen kann.“ Auch als Recherchetool kann die KI praktisch sein: „Es gibt Anforderungsprofile, die man mit klassischen Inseratenschaltungen nicht besetzen kann, sondern in die direkte Ansprache gehen muss. Eine KI kann dann Kandidatenvorschläge machen. Ein triviales Beispiel, an dem man das gut festmachen kann, ist der Beruf des Kranmonteurs. Es gibt dafür keine Ausbildung, deshalb sind qualifizierte Kräfte sehr schwer zu finden. Füttert man eine KI mit dem Anforderungsprofil, nennt sie als mögliche Kandidaten Feuerwehrleute.“

Auch in der Personalentwicklung könnte die KI in Zukunft ein interessanter Sparring-Partner sein, erklärt Florens Eblinger, Geschäftsführer von Eblinger und Partner: „Wir haben schon damit experimentiert, Gerüste für Workshops oder Seminare von der KI erstellen zu lassen – einfach um zu sehen, welche Elemente da vorgeschlagen werden. Derzeit hat es für uns noch etwas Spielerisches, die KI als Sparring-Partner oder für Brainstormings einzusetzen.“

Die Masse bewältigen.

Trenkwalder verarbeitet über eine Million Bewerbungen pro Jahr, erzählt Geschäftsführer Mark Pollok: „Es würde Tausende Recruiter brauchen, die nichts anderes machen, als Lebensläufe durchzugehen. Wir müssen eine unglaubliche Menge an Daten verarbeiten. Und hier kann eine KI helfen, sich einen Überblick zu verschaffen, einzelne Bewerbungen auszuwerten.“

»Es würde Tausende Recruiter brauchen, die nichts anderes machen, als Lebensläufe durchzugehen. Wir müssen eine unglaubliche Menge an Daten verarbeiten. Und hier kann eine KI helfen, sich einen Überblick zu verschaffen, einzelne Bewerbungen auszuwerten.«

Mark Pollok

Geschäftsführer von Trenkwalder 

Ein „Matching-Algorithmus“ klopft die eingegangenen Bewertungen auf bestimmte Kriterien ab und clustert: Sprachkenntnisse, Führerschein, Schulabschlüsse und Ähnliches. Stammt ein Bewerber beispielsweise aus dem Ausland und der Bewerbung liegt keine Arbeitserlaubnis bei, so kann die KI in einem automatisierten Prozess E-Mails ausschicken, in denen solche fehlenden Unterlagen nachgefordert werden. Ähnlich einer Sendungsverfolgung per Post könnten Kandidaten so auch jederzeit über den Bearbeitungsstatus ihrer Bewerbung informiert werden.

Doch nicht nur die Auswertung, auch die Verwaltung des so generierten Kandidatenpools kann die KI erleichtern, erklärt Pollok: „Nehmen wir an, Sie bewerben sich für Stelle A, für die Ihnen ein paar wesentliche Anforderungen fehlen – passen aber perfekt auf Stelle B. Wenn nun zwei verschiedene Mitarbeiter diese beiden Ausschreibungen bearbeiten, wird das nie auffallen. Aber der Algorithmus, der alle Daten verwaltet, kann diese Verknüpfung sehr wohl herstellen.“ Ziel sei es letztendlich, menschliche Mitarbeiter von repetitiven Prozessen abziehen zu können und so Kapazitäten freizumachen für den Aufbau eines Netzwerkes und den zwischenmenschlichen Austausch. Ähnlich hält es Florens Eblinger: „Natürlich haben wir eine Datenbank im Hintergrund mit jenen Kandidaten, mit denen wir gern weiterarbeiten. Aber wir führen etwa 250 Suchaufträge im Jahr durch, das sind exklusive Aufträge unserer Kunden – eine solche Suche und Auswahl dauert in der Regel vier bis sechs Wochen. Wir reden da meistens vom mittleren bis höheren Management, das geht immer auch mit einer Analyse einher – was braucht das Unternehmen, wohin geht die Reise?“

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Die KI hört mit.

Soziale Interaktion, Bauchgefühl entwickeln – das kann eine künstliche Intelligenz nicht“, erklärt Pollok weiter. „Sie kann auf Basis des gesammelten Erfahrungsschatzes eine Empfehlung aussprechen. Aber sie könnte beispielsweise keine Referenz anrufen und noch einmal nachfragen, was der jeweilige Bewerber nun wirklich in seiner Tätigkeit gemacht hat.“ Im Executive Search setze man allerdings bisweilen eine KI ein, die im Hintergrund eine Persönlichkeitsanalyse durchführe, erklärt Pollok. Dabei werden Verhaltenshinweise wie Gesichtsausdrücke, Körpersprache und Stimme ebenso einbezogen, wie Sprachmuster und Sprachgebrauch. Kandidaten müssten selbstverständlich ihr Einverständnis geben. Je höher die ausgeschriebenen Positionen, umso spärlicher könnte dieses werden, schätzt Maly: „Die Akzeptanz bei Kandidaten, die sehr gefragt sind, ist enden wollend, was dieses Thema betrifft.“ Im War for Talents sieht Maly die KI nicht als Mitstreiter: „Ein Problem sehe ich dort, wo die Kandidatenmärkte eng sind, wo – auf gut Wienerisch – ein ,Griss‘ um die guten Leute ist. Alles, was hier zu automatisiert daherkommt, wo zu wenig Persönlichkeit im Prozess ist – da verschlechtern sich in unserer Erfahrung die Ergebnisse. Eine hochqualifizierte Kraft möchte nicht über die KI validiert werden.“

Die andere Seite.

Den Lebenslauf optimiert der CV-Generator, das Bewerbungs- oder Motivationsschreiben kommt von Chat GPT. Vielleicht retuschiert die KI das Bewerbungsfoto noch ein bisschen nach und schon ist der Weg frei zum Traumjob. Ganz so einfach wird es dann doch nicht sein, da sind sich die Experten einig.

»Eine KI wird einen Lebenslauf oder ein Anschreiben wahrscheinlich noch nicht in einer solchen Qualität bauen, dass man es genau so abschicken kann.«

Florens Eblinger

Geschäftsführer von Eblinger und Partner

„Eine KI wird einen Lebenslauf oder ein Anschreiben wahrscheinlich noch nicht in einer solchen Qualität bauen, dass man es genau so abschicken kann“, ist Eblinger überzeugt. „Aber man bekommt womöglich einen guten ersten Entwurf, auf dem man die eigene Bewerbung dann aufsetzen kann. Und oft ist ja gerade der Anfang das mühsamste. Sagen wir beispielsweise, jemand schreibt eine Bewerbung an Rewe – die KI spuckt einen Vorschlag aus, in dem bereits Wording aus dem Einzelhandel vorkommt, der stark auf Rewe bezogen ist. Dann würde man natürlich diesen ersten Vorschlag personalisieren, individualisieren und da und dort adaptieren – aber da sind sicher schon ein paar brauchbare Formulierungen und Textbausteine drin.“ Ganz neu ist die Taktik ja nicht – wer „Vorlage Bewerbungsschreiben“ googelt, wird mit Millionen Suchergebnissen belohnt. Auch deshalb rät Maly zur Vorsicht: „Das haben wir schon in der Vergangenheit stark bemerkt, dass mit Vorlagen gearbeitet wird. Jeder hat den gleichen CV, ein Beispiel ist der Europapass, dort schreibt man die immer gleichen Vorlagen hinein. Jetzt macht das eben eine KI. Die Frage, die sich mir stellt, ist schon, ob nicht durch die immer gleichen Vorlagen sehr bald offensichtlich wird, dass das nicht selbst geschrieben ist.“

Pollok sieht die Hilfestellung der KI auch in Sachen Gehalt – so bietet Trenkwalder einen Lohnkalkulator an, der neben Qualifikation beispielsweise auch Region und Arbeitsmarktbedingungen einbezieht –, denn je geringer die Kandidatenanzahl, umso höher das Verhandlungspotenzial. Von der Veränderung von Fotos rät man unisono ab. Dadurch, dass es nun so einfach sei, schätzt Eblinger, macht die KI es verlockend, da und dort ein wenig zu schummeln. Letztlich, da sind sich die Befragten einig, nützt es aber nichts, denn schließlich sitzt man persönlich im Bewerbungsgespräch. Und dann kann die KI nicht mehr helfen.

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