Interview

IKG-Präsident Oskar Deutsch: „Nicht zulassen, dass man in Wien den Tod feiert“

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Mittwochabend bei der Gedenkveranstaltung.
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Mittwochabend bei der Gedenkveranstaltung. APA
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Nach den Massakern in Israel fordert Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, dass Aufmärsche wie der am Mittwoch am Stephansplatz unterbunden werden.

Die Presse: Am Mittwoch waren Tausende bei der Gedenkveranstaltung am Ballhausplatz, am Stephansplatz einige Hundert bei einer Pro-Palästina-Kundgebung. Die IKG musste aufrufen, Symbole wie die Israel-Fahne auf dem Heimweg zu verbergen. Mit was für einem Gefühl sind Sie da nachhause gegangen?

Oskar Deutsch: Wir tragen dazu bei, dass die Sicherheit der Gemeindemitglieder gewährleistet ist. Wenn man diese Feiern des Todes gesehen hat, diese islamistischen Schlachtrufe gehört hat, hat das nur gezeigt, dass es richtig war, zu sagen, keine israelischen Symbole zu zeigen. Wenn Sie fragen, was ich dabei fühle: Das ist eine Situation, die es bei uns in Österreich, auf der ganzen Welt nicht geben darf. Dass bestialische Morde verherrlicht werden, und es nicht möglich ist, mit einer israelischen Fahne herum zu gehen. Da sollten sämtliche Politiker nachdenken, was wir tun, damit sich Jüdinnen und Juden frei bewegen können. Aber das Wichtigste ist: Wir werden uns nicht unterkriegen lassen.

Hätten Sie sich ein rigideres Vorgehen erwartet?

Ich hätte mir gewünscht, dass es zu diesen Szenen nicht kommt, aber immerhin hat die Polizei 304 Identitätsfeststellungen gemacht und daraus hoffentlich viele staatspolizeiliche Erkenntnisse gewonnen. Ich hoffe sehr, dass man aufgrund dessen, was sich am Mittwoch abgespielt hat, gelernt hat, dass es solche Feiern des Todes nicht mehr auf Österreichs Straßen geben wird. Das war ein Lehrstück, es gibt keinen Grund anzunehmen, dass so etwas nicht wieder geplant ist.

Die Polizei argumentiert, man habe auf Deeskalation gesetzt, gewährleistet, dass es zu keinem Marsch Richtung Ballhausplatz kam. Sollte sie anders vorgehen?

Die Polizei hat diese Identitäten festgestellt, sie muss jetzt entscheiden, wie sie damit umgeht. Aber wir können doch nicht zu lassen, dass auf den Straßen in Wien der Tod gefeiert wird. Dass das, was die Hamas-Terroristen gemacht haben, dass Kinder getötet, Babys geköpft werden, dass alte Leute, Frauen verschleppt werden, das soll glorifiziert werden? Die Behörden müssen alles tun, damit das nicht stattfinden kann.

Hat man Antisemitismus gerade unter jungen Migranten zu lange ausgeblendet? Überrascht Sie das Ausmaß, das zutage tritt?

Mich überrascht nichts mehr. Das kommt immer wieder vor, auch bei den Corona-Demos haben wir gesehen: Die Juden sind immer Schuld. Ich habe kein Problem, wenn man für einen palästinensischen Staat demonstriert, das ist legitim. Aber es ist nicht legitim, für das zu demonstrieren, was die Hamas auf israelischem Territorium gemacht hat und weltweit tun möchte. Aber wichtiger ist, dass der Support von Menschen aus ganz Österreich um ein Vielfaches größer ist als die Sympathien für den Hamas.

Müssen Sie generell empfehlen, Flagge, Davidstern oder Kippa öffentlich nicht zu tragen?

Nein, die Empfehlung entsprach der Situation. Wir werden uns nicht verstecken, im Gegenteil, wir werden jüdisches Leben noch mehr in den Mittelpunkt setzen, unsere Schulen, Synagogen sind in Betrieb, Kulturprogramme, die Sportvereine, das ist alles aktiv. Jüdisches Leben ist die beste Antwort gegen Antisemitismus. Leider ist dies nur mit professionellen Sicherheitsvorkehrungen möglich.

Wie hat sich das Leben der Juden und Jüdinnen in Wien seit dem Wochenende verändert?

Das jüdische Leben läuft weiter, aber viele sind verunsichert, verängstigt. Wenn man sich die Bilder aus Israel ansieht, Israel deine spirituelle Heimat ist, du dort Freunde, Verwandte hast, man müsste ja unglaublich stark sein, um nicht verängstigt zu sein. Viele nehmen nun viel bewusster am jüdischen Leben teil. Viele kommen in die Synagogen um zu beten. Aber natürlich sind die Sorgen omnipräsent.

Die Sicherheitsvorkehrungen für israelische und jüdische Einrichtungen wurden verschärft. Haben Sie Hinweise auf eine konkret verschärfte Bedrohung?

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