Nachhaltige Materialien

Jeden Baumstamm zu hundert Prozent nutzen

Das Forschungsteam nutzt aus, dass die Mikrostruktur des Holzes selbst in den kleinsten Spänen intakt vorhanden ist. 
Das Forschungsteam nutzt aus, dass die Mikrostruktur des Holzes selbst in den kleinsten Spänen intakt vorhanden ist. Markus Lukacevic 
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Abfälle der Holzindustrie sollen zu einem wertvollen Baustoff werden. Das haben sich die Forscherinnen und Forscher eines neuen Christian-Doppler-Labors an der TU Wien zum Ziel gesetzt. Es kommt auch dem Klima zugute.

Holz gilt in der Baubranche als besonders nachhaltiges Material: Es wächst nach und bindet klimaschädigendes CO2. Es könnte jedoch noch wesentlich effizienter genutzt werden, findet Markus Lukacevic vom Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen an der Technischen Universität Wien.

Er ist auch Leiter des am Freitag eröff­neten Christian-Doppler-(CD-)Labors für Holzbasiertes Biokomposit der nächsten Generation. Eines der Ziele der dortigen Forschungsarbeit sei es, so sagt er, Abfälle der Holzindustrie für die Baubranche nutzbar zu machen.

Holzabfälle als Baumaterialien

Lukacevic: „Derzeit werden bei der Verarbeitung zu Schnittholz von jedem Baum nur rund 50 Prozent verwertet. Der Rest fällt in den Sägewerken in Form von Spänen, Sägemehl, Hackschnitzeln oder Rinde an.“ Ein guter Teil dieser Nebenprodukte werde letztlich verbrannt, wodurch das im Holz gebundene Kohlendioxid freigesetzt wird. Sinnvoller wäre es, so die Überlegung, auch aus diesen Abfällen wertvolles Ausgangsmaterial für die Entwicklung von Baumaterialien zu machen und damit auch die CO2-Speicherkapazität besser auszuschöpfen. Die Vision ist, „jeden Baumstamm zu 100 Prozent zu nutzen“.

Das Forschungsteam will sich dabei des Umstandes bedienen, dass die Mikrostruktur des Holzes – die für dessen positive Eigenschaften wie Stabilität und Belastbarkeit bei geringem Gewicht verantwortlich ist und die es unter anderem zu einem idealen Baustoff macht – selbst in den kleinsten Spänen intakt vorhanden ist. „Die Frage, die uns im Labor beschäftigt, ist, wie man diese Teilchen zu größeren Bauteilen in Meter-Dimensionen zusammenfügt, die als tragfähige Elemente in der Architektur gemeinsam mit Schnittholz eingesetzt werden können“, erklärt CD-Laborleiter Lukacevic.

Ein Fokus liege auf der Entwicklung innovativer nachhaltiger Methoden der thermischen, chemischen und mechanischen Vorbehandlung des Abfallmaterials. Ein weiterer Schwerpunkt sind formgebende oder addi­tive Produktionsverfahren der Bauteile, etwa mittels 3-D-Druck. Damit will man verhindern, dass bei diesem Prozessschritt erneut Nebenprodukte durch subtraktive Fertigungsmethoden wie das Bohren anfallen.

Eine entscheidende Rolle spielen darüber hinaus die eingesetzten Bindemittel: „Herkömmliche Bindemittel, wie sie etwa bei der Herstellung von Spanplatten zum Einsatz kommen, sind synthetisch. Im Labor versuchen wir herauszufinden, welche Teile des Baumes selbst sich als Alternative eignen.“ Lignin, ein Stoffwechselprodukt von Pflanzen, das sich in den Zellwänden einlagert, wird schon lang als Bindemittel – etwa bei der Herstellung von Pellets – verwendet.

„Wir untersuchen darüber hinaus die bisher wenig erforschten Vernetzungsfähigkeiten von anderen Extrakten des Baumes wie beispielsweise Harzsäuren, Proteinen oder Tanninen“, sagt Lukacevic. Die TU Wien, von der zudem die Institute für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik, technische Biowissenschaften sowie Materialchemie am CD-Labor beteiligt sind, arbeitet bei der Entwicklung dieses ausschließlich holzbasierten Biokomposits eng mit dem holzverarbeitenden Unternehmen HS Timber Group mit Sitz in Wien zusammen.

Doppelt so viele Bauteile wie bisher

Gemeinsam versuchen die Forscherinnen und Forscher auch, Modellierungstools zu entwerfen, die es erlauben, die mechanischen Prozesse, Bindungsmechanismen und strukturellen Veränderungen des Biokomposits zu untersuchen und zu beschreiben. Damit sollen die Eigenschaften von großen Bauteilen vorhergesagt werden können – eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz in der Praxis. „Letztlich könnten mit den von uns zu entwickelnden Prozessen und Methoden aus jedem Baum doppelt so viele Bauteile gewonnen werden wie bisher“, fasst Lukacevic zusammen.

Für die Baubranche, die traditionell als eher wenig nachhaltig gilt, wäre das ein wichtiger Schritt in Richtung Verbesserung der Ökobilanz. Die optimierte Nutzung von Sägenebenprodukten könnte zudem Österreichs Position als einer der Weltmarktführer in der Holzindustrie festigen.

In Zahlen

3,5 Milliarden Bäume stehen in Österreich. Fast die Hälfte des Staatsgebietes ist Wald.

1 Tonne CO2 bleibt in jedem Kubikmeter verbautem Holz gespeichert. Holz gilt auch deswegen als besonders nachhaltiger Baustoff, weil es Materialien mit energieintensiver Herstellung ersetzt.

113 Meter soll das höchste Holzhaus der Welt emporragen. Und gebaut wird es in Wien. Die Pläne für den „Timber Marina Tower“ (UBM) sehen Büros auf 32 Etagen in Holz-Hybrid-Bauweise vor.

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