Konzertfilm

„Taylor Swift: The Eras Tour“: Power-Posen im Glitzerbody

Eines von vielen Pailletten-besetzten Outfits an diesem Abend: Jede „Ära“ Taylor Swifts hat ihren Look, glitzern tun fast alle.
Eines von vielen Pailletten-besetzten Outfits an diesem Abend: Jede „Ära“ Taylor Swifts hat ihren Look, glitzern tun fast alle.AMC Int.
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Noch bevor ihre Stadiontournee sie nach Europa führt, bringt Taylor Swift das Spektakel bereits als knapp dreistündigen Film heraus. Das Kinoereignis zementiert ihren Status als übergroße Popfigur.

Sie trage einen Mix, sagt Rhea Kurzemann am Freitagabend im Foyer des Village Cinema im dritten Wiener Bezirk und deutet auf ihr Outfit: „Ich habe ein Reputation-Shirt, aber mein Vibe ist eher Folklore.“ Wem das nichts sagt, die muss wissen: „Reputation“ und „Folklore“ sind die Titel zweier Alben des US-Popstars Taylor Swift. Und dass man ihre Alben quasi anziehen kann, ist eine Dimension der Fankultur, die von der Sängerin und ihren „Swifties“ liebevoll gepflegt wird. Mit „Reputation“ und „Folklore“ treffe eine dunkle, „grungy“ Ästhetik auf einen feenhaften „Running through the forest“-Stil, erklärt die 21-Jährige. In ihrem Fall heißt das: weißer wallender Rock, Zöpfe mit großen Schleifen im Haar und ein T-Shirt mit Taylor Swifts Konterfei.

Kurzemann ist nicht die einzige Kinobesucherin, die sich genau überlegt hat, was sie anziehen soll. Glitzerjacketts, eine Schlangenkette auf schwarzem Pullover und noch mehr Taylor-Swift-Shirts werden an diesen Abend ausgeführt; ein 13-jähriger Teenager, der alleine gekommen ist, hat sich Swifts Glückszahl 13 auf den Handrücken gemalt und zeigt stolz seine selbstgebastelten Freundschaftsbänder, fünf an jedem Handgelenk: Die weißen Plastikperlen buchstabieren sämtliche Titel von Taylor Swifts Studioalben. Pardon: „Eras“, wie Swift und ihre Fans sagen.

„The Eras Tour“ heißt die Stadiontournee, eine Werkschau von Taylor Swifts kompletter Karriere, die die Sängerin im März begann und die sie in insgesamt 146 Konzerten auf alle Kontinente führen soll – im August 2024 auch für drei Abende nach Wien. Wem als Vorgeschmack die vielen Handyvideos im Netz nicht reichen, mit denen sich auch Swifts Bühnenoutfits als Inspiration für die Fan-Kleidung verbreiteten, der kann das gesamte Spektakel nun als Film erleben.

Aus gigantischen Fächern wird Swift geboren

Von einem Ansturm wie jenem auf die 170.000 Wien-Tickets beim Vorverkaufsstart im Juli ist am Freitagabend allerdings nichts zu spüren. 24 Vorstellungen sind in ganz Wien angesetzt, was wohl optimistisch bemessen war: Der Saal im Village-Kino bleibt zu zwei Dritteln leer. Aufregung ist trotzdem zu spüren, als das Licht ausgeht und ein Countdown von 13 herunterzählt. Schon fliegt die Kamera zur Bühne des SoFi-Stadions in Los Angeles hinab, wo im August drei Shows gefilmt und zusammengeschnitten wurden. Tänzer schwenken gigantische, muschelförmige Fächer, aus diesen wird Taylor Swift geboren: Im pastellbunten Glitzerbody (dem ersten von mehreren an diesem Abend) und passend funkelnden Stiefeln wirft sie Kusshände in die Menge.

Es ist der Beginn einer Show, die in vieler Hinsicht als gigantisch bezeichnet werden kann: In zehn Blöcken, einem für jede „Ära“, wird hier ein bunt glitzerndes, perfekt durchgestyltes und aufwendig inszeniertes Spektakel ausgerollt. Die Bühnentechnik ist sagenhaft, doch überstrahlt wird alles von Swift, die – in Sam Wrench‘ gestochen scharfer Film-Inszenierung wohl noch deutlicher als im Live-Erlebnis – wie eine Amazone über die Szenerie ragt.

Der selbstbewussteste Popstar unserer Zeit

Ihre Choreographie ist eine nahtlose Aneinanderreihung von Power-Posen: Unermüdlich stakst sie den langen Bühnensteg wie einen Catwalk auf und ab, wirft in großen glamourösen Gesten die Arme um sich, stemmt die Hüfte zur Seite, während sie stolz und breitbeinig in ihren Glitzerstiefeln steht. Mitunter erinnert sie dabei an Anime-Kriegerinnen wie Sailor Moon, während sie das jubelnde Publikum wie auch ihre Armada an Tänzerinnen, Tänzern und Background-Sängerinnen mit dem kleinen Finger dirigiert. Ihre Songtexte mögen die Lebenswelt eines amerikanischen Small-Town-Girls wachrufen; wenn sie kokett-theatralisch die Augen überdreht, fröhlich lachend über die Bühne hopst oder ihr Entzücken über die Masse an Fans ausdrückt, dann sieht man in ihr ein Mädchen, mit dem man Spaß haben kann. Und doch bleibt kein Zweifel, dass hier ein Megastar über die Bühne tollt, der sich seines übergroßen Formats sehr bewusst ist.

Die Bühnentechnik ist sagenhaft, doch überstrahlt wird alles von Swift.
Die Bühnentechnik ist sagenhaft, doch überstrahlt wird alles von Swift.AMC Int.

An Selbstbewusstsein mangelt es Swift nicht. Sie behauptete sich bekanntermaßen in einem Disput mit Apple, einem Gerichtsprozess gegen einen Grabscher und im Zwist mit der Plattenfirma Big Machine Records, die die Rechte an ihren frühen Alben hält: Eines nach dem nächsten nimmt sie neu auf, am 27. Oktober erscheint „1989 (Taylor’s Version)“ mit den Megahits „Blank Space und „Shake it off“, die Swifts endgültigen Übergang von der Country- auf die Popbühne markierten.

Leuchtende Fahrräder und ein Märchenwald

Mit erst 33 Jahren blickt sie auf eine 17 Jahre umspannende Karriere zurück, die sie jetzt schon in Früh- und Spätwerk gliedert, mit allerlei Etappen dazwischen: Jedes Album wird zu einer „Ära“ hochstilisiert. Das Zelebrieren dieser „Eras“ hat Swift perfektioniert. Die sphärisch-verträumte Ästhetik des Albums „Lover“ eröffnet den Reigen, zu „Evermore“ verwandelt sich die Bühne in einen Märchenwald, während Swift im Kapuzenumhang einen Hexenzirkel einberuft, um sich dann an ein Klavier aus Moos zu setzen. Immer wieder greift sie auch zur Gitarre, während die komplett aus Screens bestehende, blockweise hoch- und niederfahrende Bühne ganze Welten entstehen lässt: ein Bürogebäude, ein Puppenhaus, ein Spiegelkabinett voller (unterschiedlich gekleideter) Taylor Swifts. Ein bisschen Zaubershow, ein bisschen Theater, dazu kristallklar tönend ihre vielen eingängigen Hits: Der Film hat einige Längen, fängt die Euphorie im Stadion aber wirkungsvoll ein.

Als der Konzertblock zum Album „1989“ beginnt (das Outfit dazu: ein Ensemble aus Croptop und Minirock, natürlich glitzernd), rührt sich im Kinosaal erster Szenenapplaus, nachdem die Fans sich bislang auf leises Mitmurmeln der Texte beschränkt haben. Zu „Blank Space“, jenem Lied, in dem Taylor Swift sich vorstellt, lustvoll Männer zu verschleißen – ein Verhalten, das ihr von Klatschmedien attestiert wurde –, wird sie von Tänzern auf leuchtenden Fahrrädern umkreist, bevor mit ebenso leuchtenden Golfschlägern auf ein virtuelles Auto eingeschlagen wird. Zu „Shake it off“, jener Pfeif-drauf-Hymne im Cheerleader-Gestus, wird auf den Sitzen auch schon so manche Gliedmaße geschüttelt, während ein Kinomitarbeiter dies mit einem schwarzen Müllsack tut. Für die Popcornbecher. Zumindest jene, die nicht im speziellen Taylor-Swift-Design als Souvenir mit heim sollen.

„Ihr wart so gut zu mir“, bedankt sich Swift beim Publikum. Diese Tour sei „die außergewöhnlichste Erfahrung in meinem Leben“ gewesen. Die Bescheidenheit und das Entzücken über die Reaktionen des Publikums nehmen ihr ihre Fans gerne ab. „Ich kann als Frau ja beides sein, bescheiden und wahnsinnig stark“, sagt Rhea Kurzemann, als der Film vorbei ist. Sie habe der Film vor allem in jenen Szenen berührt, in denen die Fans zu sehen sind. Es sei dies eine Community, in der sie sich sicher und verstanden fühle: „Bei Taylor hat man das Gefühl, dass wir alle das Gleiche schon einmal durchgemacht haben. Wir haben eine shared experience.“

Für ihre Freundin Sarah Magdihs hat der Film alle Erwartungen erfüllt. Voller Vorfreude sieht sie nun den Konzerten im nächsten Sommer entgegen. Und: „Ich habe jetzt unglaublich viele Ideen, was ich dann anziehen könnte!“

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