KV-Verhandlungen

Braucht Österreich flexiblere Abschlüsse?

In der Industrie machen die Lohnkosten einen geringeren Teil aus als in anderen Branchen.
In der Industrie machen die Lohnkosten einen geringeren Teil aus als in anderen Branchen. Blue Planet Studio
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IHS-Chef Bonin bringt eine Öffnungsklausel ins Spiel. Diskussion über Pensionen fehlt.

Wien. Die Fronten sind verhärtet: Verhandlungen zwischen Industriellen und Gewerkschaft sind immer mühsam, wenn es um den Kollektivvertrag für die metalltechnische Industrie geht. Aber heuer lässt die Teuerung die Vorstellungen von Arbeiternehmern und Arbeitern noch einmal enorm auseinanderklaffen. Die Arbeitgeber bieten eine Lohnerhöhung um 2,5 Prozent für die 137.000 Beschäftigten, die Gewerkschaft will aber 11,6 Prozent und nennt das Gegenangebot eine „Sauerei“.

Nun bringt Holger Bonin, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) einen neuen Vorschlag ins Spiel: Öffnungsklauseln. Die Gewerkschaft will nicht unter der laufenden Inflationsrate abschließen, das werden sich aber nicht alle Unternehmen leisten können, sagte Bonin am Sonntag in der „ORF-Pressestunde“. Österreich befinde sich in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation. Was bedeutet eine Öffnungsklausel? Grundsätzlich gibt es diese Option in sämtlichen Bereichen des kollektivvertraglichen Arbeitsrechts. Für Gehaltsabschlüsse wurde sie in Österreich aber noch nie angewendet. Andere Länder greifen regelmäßiger darauf zurück. Eine Variante könnte so aussehen: Wenn sich ein Unternehmen die volle kollektivvertragliche Erhöhung nicht leisten kann, wendet es sich an die Sozialpartner. Es wäre damit für Unternehmen möglich, einen individuellen, geringeren Abschluss zu vereinbaren, falls ihnen sonst ein ruinöser Wettbewerbsnachteil droht. Auch wenn Lohnkosten in der Industrie geringer als in anderen Branchen sind. Bonin geht trotzdem nicht davon aus, dass der Abschluss weit unter der Inflationsrate liegt. Denn auch die Gewerkschaft habe Erwartungen zu bedienen.

Wahloption für mehr Freizeit

Die Metallindustrie hatte zuletzt zu dem Plus von 2,5 Prozent auch eine Einmalzahlung in Höhe von 1050 Euro angeboten. Zu den bei den Gewerkschaften unbeliebten Einmalzahlungen sagte der Ökonom, dass man im Kollektivvertrag vereinbaren könnte, dass diese Zahlungen bei den Verhandlungen im Jahr darauf miteinbezogen werden. Auch eine Wahloption, die Lohnerhöhung in weniger Arbeitsstunden, also in mehr Freizeit umzuwandeln, könnte für beide Seiten attraktiv sein. Und das würde sich auch inflationsdämpfend auswirken. Während die gesamte Volkswirtschaft 2024 bereits wieder wachsen dürfte, verharrt die Industrie voraussichtlich auch nächstes Jahr in der Rezession. Das spielt in den Lohnverhandlungen den Arbeitgebern in die Hände.

Gemäß Prognosen wird der wirtschaftliche Aufschwung 2024 vor allem vom privaten Konsum getrieben. Deshalb sind Lohnanstiege durchaus wichtig, betonte Bonin. Wenn es die Aufschwünge nicht gibt, wird Österreich noch länger in der Rezession bleiben.

Fehlende Diskussion

Auch deshalb vermisst Bonin hierzulande die Diskussion über eine Reform des „generösen Pensionssystems“. Geht es nach Bonin, muss perspektivisch ein Antrittsalter von 67 Jahren in Betracht gezogen werden. Durch die demografische Entwicklung steigt jener Teil, den der Staat zu den Pensionen zuschießen müsse. Die Finanzierung wird schwieriger, wenn die Gesellschaft älter wird.

Die sukzessive Erhöhung des Frauenpensionsalters in Österreich auf 65 Jahre bis zum Jahr 2033 erfolgt für Bonins Dafürhalten „relativ spät“. Abgesehen davon stelle sich die Frage, wie man Menschen dazu bringen kann, überhaupt bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu arbeiten. Auch darüber werde in Österreich zu wenig diskutiert.

»Eine Öffnungsklausel hilft, die Beschäftigung zu sichern. «

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