Buch „Zwischen Mauern“

Nachts im Pflegeheim mit David Fuchs

David Fuchs ist Mediziner – und beschreibt als Autor sein Metier.
David Fuchs ist Mediziner – und beschreibt als Autor sein Metier.Hermann Wakolbinger
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Im Roman „Zwischen Mauern“ gibt David Fuchs Einblicke in die prekären Arbeitsverhältnisse und zwischenmenschlichen Konflikte im Pflegebereich.

Frau Else bewegt sich mit einer Gehhilfe fort und isst am liebsten wilde Erdbeeren, die sie in einer Tupperbox mit sich herumträgt. Bis zu ihrem Tod lebt sie in einem Pflegeheim. Nun ist sie nur noch ein Hirngespinst, mit dem sich Protagonistin Meta manchmal austauscht.

Beide Personen entstammen der Feder – oder wohl etwas prosaischer: der Tastatur – von David Fuchs. Der Linzer Schriftsteller und Mediziner hat mit „Zwischen Mauern“ seinen dritten Roman veröffentlicht, der abermals im medizinischen Umfeld spielt. Wenig verwunderlich, ist Fuchs abseits der Literatur doch Leiter der Palliativstation bei den Barmherzigen Schwestern in Linz. 2015 veröffentlichte er seinen Debütroman „Bevor wir verschwinden“, der in der Kategorie Debütpreis des Österreichischen Buchpreises ausgezeichnet wurde. Die Handlung trägt sich in der Onkologiestation eines Krankenhauses zu. Sein zweiter Roman wiederum dreht sich um einen Demenzerkrankten.

Seine jüngste Veröffentlichung lässt er nun in einem Pflegeheim spielen, das bald zugesperrt werden soll. Die liebenswürdige Hauptfigur ist Meta – kurz für Margareta –, die sich freiwillig dafür meldet, Patienten über Nacht Gesellschaft zu leisten. Lesende erfahren wenig über ihr Leben außerhalb des Pflegeheims, aber in den sechs Nächten, durch die man sie begleitet, erahnt man ihren mitfühlenden und aufmerksamen Charakter. Der Patient, dem sie Gesellschaft leisten soll, ist der Sprache nicht mehr fähig und reagiert nur noch sehr eingeschränkt auf seine Außenwelt. Außerdem war er, wie sich dann herausstellt, in der Vergangenheit ein unangenehmer und auch gewalttätiger Mensch.

„Nicht alle Patientinnen sind gleich sympathisch. Mich hat interessiert, wie man mit so einer Situation umgeht. Natürlich hat jede und jeder Anrecht auf professionelle medizinische Versorgung, aber menschlich macht das trotzdem etwas mit dir, wenn dir ein Patient wegen seiner Vergangenheit oder seiner Einstellungen zuwider ist“, beschreibt Fuchs. Protagonistin Meta geht als unerfahrene Ehrenamtliche mit einer gewissen Naivität an diese Situation heran und muss erst lernen, mit den Emotionen umzugehen, die dabei in ihr ausgelöst werden.

Die Wut der Angehörigen

Anhand zweier weiterer Charaktere, dem pflichtbewussten Pfleger Moses und dem abgebrühten Arzt Pomp, beklagt Fuchs indirekt auch die prekäre Lage im österreichischen Pflegebereich. Moses kümmert sich in seinen Nachtschichten um insgesamt 50 Patientinnen, die meisten seiner ehemaligen Kolleginnen haben den Pflegeberuf schon längst aufgegeben. „Natürlich ist das auch ein politisches Statement. Den Personalmangel spüren wir auch im Krankenhausalltag. Dass mobile Pflege und immer mehr Altersheime wegbrechen und viele Betten im Krankenhaus gesperrt sind, erhöht den Druck auf das gesamte Personal“, sagt Fuchs. Das äußere sich auch immer öfter in Wut und Aggression vonseiten der Angehörigen, die mit ihren Forderungen an einzelne Pflegekräfte herantreten, die sich eigentlich an das gesamte System richten sollten. 

David Fuchs schaut in seinem Buch dorthin, wo viele Menschen lieber gern wegsehen würden. Gerade deshalb zählt der Roman wohl eher nicht zu den massentauglichen Werken. Fuchs beschreibt die Patienten des Altersheims ungeschönt. Menschen in vegetativem Zustand, die nachts allein in ihren Zimmern wimmern, sich kaum rühren können, auf ihre körperlichen Funktionen reduziert sind. Und er zeigt doch, wie viel Aufmerksamkeit und Empathie man auch dementen Menschen noch entgegenbringen kann und sollte.

Ganz bewusst hat er die meisten Patienten mit Namen wie Mr. T und Mrs. E versehen. „Der Fokus sollte weniger auf der Individualität als auf der Anonymität der Personen liegen.“ Gleichzeitig geht es ihm auch darum, das Distanz- und Näheverhältnis zwischen Patientinnen und ihren Betreuern auszutarieren. „Man muss lernen, sich abzugrenzen. Ein wichtiges Symbol für mich ist dabei die Dienstkleidung. Leg ich meinen weißen Mantel ab, wechsle ich meine Rolle. Es ist eine Art Kostümierung“, sagt Fuchs.

Durch die verstorbene Patientin Frau Else, die in Metas Gedanken umhergeistert, ist auch der Tod eine andauernde, überraschend humorvolle Präsenz in der größtenteils melancholischen Erzählung. Der Roman ist kurzweilig und lebt von Dialogen und knappen Szenen. Und natürlich davon, dass Fuchs als Mediziner von einer Welt erzählt, die ihm vertraut ist und die uns alle betrifft.

Auf einen Blick

David Fuchs ist Leiter der Palliativstation bei den Barmherzigen Schwestern in Linz. „Zwischen Mauern“ (Haymon, 224 Seiten, 19,90 Euro). Fuchs liest am 11. 11. um 18 Uhr bei der Buch Wien.

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