Industrie

Voestalpine eröffnet erstes Stahlwerk in Europa seit Jahrzehnten in Kapfenberg

Das „weltweit modernste Edelstahlwerk“ kostete weitaus mehr als geplant.
Das „weltweit modernste Edelstahlwerk“ kostete weitaus mehr als geplant.Die Presse/Melanie Klug
  • Drucken

Mit dem Werk setzt der Konzern eine neue Benchmark in der Digitalisierung und Nach­haltigkeit. Ein wichtiger Schritt für die Voest auf dem Weg zur Dekarbonisierung.

Kapfenberg. Kalter Nebel lag Mittwochfrüh über Kapfenberg. Wie als Gegenpol präsentierte sich das Innere des neuen Edelstahlwerkes der Voestalpine. Dort hat das flüssige Metall 1600 Grad Celsius.

Am Mittwoch eröffnete das heimische Stahl- und Technologieunternehmen das Werk – das „weltweit modernste“, so Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner. Überhaupt ist es das erste Stahlwerk dieser Art, das in Europa seit 40 Jahren gebaut wurde. „Ein entscheidender technologischer Schritt“ für den größten CO2-Emittenten in Österreich, so Eibensteiner weiter.

Mehr als 30 Prozent teurer als geplant

Ein Schritt, der auch weitaus teurer wurde als ursprünglich geplant. Entschieden wurde der Bau des „Jahrhundertprojekts“, wie es bei der Voestalpine heißt, in einer Zeit vor der Coronapandemie und vor der Energiekrise, die besonders die Industrie belastet.

Ursprünglich waren für die Investition rund 350 Mio. Euro vorgesehen. Ein Jahr Verzögerung, die Pandemie und verschiedene Lieferschwierigkeiten machten der Summe einen Strich durch die Rechnung. Das Werk kostete letztendlich 467 Mio. Euro.

Dennoch würde sich der Stahlkonzern wieder für Kapfenberg entscheiden, sagt der Chef der High-Performance-Metal-Division, Franz Rotter. „Es ist ein Werk, das wir für die nächsten Generationen bauen, das ist nicht kurzfristig.

Trotz der Herausforderungen haben wir das durchgezogen, weil wir hier etwas Lebensnotwendiges bauen.“ Ausschlaggebend sei das Fachwissen der Mitarbeiter, denn „ohne das kann kein so hochmodernes Werk betrieben werden“, so Rotter.

Die dafür notwendige Qualifizierung haben die Mitarbeiter im hauseigenen Kompetenzzentrum für Digitalisierung in Kapfenberg erlernt. Aktuell wird in der steirischen Stadt ein weiteres Ausbildungszentrum für 60 Lehrlinge erreichtet, das bis Herbst 2025 fertig sein soll.

Die Voestalpine zählt in der Region zu den wichtigsten Arbeitgebern. Allein in den Voest-Niederlassungen in der Steiermark – neun Standorte und 13 Produktionen – arbeiten rund 9300 Menschen.

Anspruchsvolle Hochleistungswerkstoffe

Bis Jahresende ersetzt das neue Werk eine über 70 Jahre alte Betriebsstätte vor Ort. Derzeit arbeiten beide intermittierend. Bis Silvester muss das alte Werk abgedreht sein. Das neue soll noch im laufenden Geschäftsjahr 2023/24, also bis Ende März, in Vollbetrieb sein. Dann werden jährlich rund 205.000 Tonnen Spezialstahl bearbeitet.

Massenstahl wird im neuen Werk nicht produziert. Künftig sollen 150 Beschäftigte hochqualitatives Vormaterial für Flugzeugkomponenten, Werkzeuge für die Autoindustrie oder komplexe Metallteile für den 3-D-Druck produzieren und in die ganze Welt liefern. 90 Prozent der gefertigten Produkte werden exportiert. Rund 2,3 Mrd. Euro hat der Stahlkonzern innerhalb von zehn Jahren in die Steiermark investiert.

Im Geschäftsjahr 2022/23 erzielte die High-Performance-Metal-Division, eine der vier Geschäftsbereiche der Voest, einen Umsatz von 3,8 Mrd. Euro, davon rund 50 Prozent außerhalb von Europa.

Digitalisierung und Dekarbonisierung

In Sachen Digitalisierung und Nachhaltigkeit setze die Voest eine neue Benchmark. Das sieht auch Susanne Michelic, Professorin für Eisen- und Stahlmetallurgie an der Montanuniversität Leoben, so. „Das neue Werk ist ein wichtiger Schritt in der Digitalisierung und agiert auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft.“ So wird etwa überschüssige Wärme aus den Prozessen nicht nur intern verwendet, sondern auch in das Fernwärmenetz eingespeist.

Die Kühlung erfolge über einen geschlossenen Kreislauf, bei dem nur marginal Wasser zugeführt werden muss, erklärt Rotter. Zudem ist das Werk so gebaut, dass neue Innovationen laufend aufgenommen werden können. Rotter: „Die Zukunft liegt in der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz. Wir können neue Innovationen integrieren und so wettbewerbsfähig bleiben.“

Das Herzstück des neuen Werks ist der Elektrolichtbogenofen zum Schmelzen von Schrott, der vollständig mit erneuerbarer Energie betrieben wird. „Wir sind 100-prozentiger Recycler. Wir führen Hochleistungsschrott aus der Industrie zurück, verarbeiten ihn mit grünem Stahl und machen neue Produkte.“ Obwohl die Prozesse digital ablaufen, „bleibt der Mensch ein wesentlicher Faktor. Er muss überwachen, korrigieren und innovieren.“

In Österreich ist das Unternehmen der mit Abstand größte CO₂-Emittent. Kaum ein Rohstoff verursacht mehr CO₂ als Stahl. Das will die Voest aber mit dem Aufbau ihrer „Greentec Steel“-Produktion aber ändern. Erst vor rund einem Monat startete das Unternehmen den Bau zweier Elektrohochöfen im nicht ganz so weit entfernten Donawitz. Ein Teil ihres Dekarbonisierungsplans.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.