Kunstlicht

Gebrochenes Swarovski-Herz: Das neue Rolling-Stones-Cover ist Kitsch

Paulina Almira ist die Cover-Künstlerin des neuen Stones-Albums.
Paulina Almira ist die Cover-Künstlerin des neuen Stones-Albums.Polydor Records
  • Drucken

Die Rolling Stones haben immer wieder mit Künstlern gearbeitet, etwa Andy Warhol. Diesmal mit einer jungen philippinischen NFT-Künstlerin. Zeitgeist Galore.

Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!‘ – entgegnete finster Mick Jaggerich. ,Das Cover vom Vorwurf des Kitsches befreien.‘ ,Das sollst du auf Crucial Media bereuen.‘ “ Das Motiv, mit dem die Rolling Stones ihr heute, Freitag, erscheinendes neues Album bebildern, regt auf den ersten Blick zum Austausch von derlei Banalitäten an: ein Dolch in rotbekrallten Frauenhänden, der ein Herz spaltet, das mehr nach Swarovski aussieht als nach Diamant. Billiger scheint es nicht mehr zu gehen. Allerdings schnappt die Text-Bild-Schere sowohl im deutsch- wie im englischsprachigen Raum mit jeweils unterschiedlicher Ironie zu: „Hackney Diamonds“ kann man hierzulande fast wörtlich mit der Tat des Hackens an sich assoziieren. Im Englischen illustriert der sichtliche Fake-Diamant schlicht die umgangssprachliche Wendung, die sich die Stones hier aneignen: Als Hackney Diamonds bezeichnete man im Londoner Viertel Hackney, als dieses noch rau war, die Glasscherben, die nach Einbrüchen auf dem Boden lagen.

Heute ist Hackney ein Hipsterviertel mit Szenerestaurants, wie dem neuen Lilienblum von Israels Starkoch Eyal Shani. Die süßliche Künstlichkeit des Covers könnte sich fast kritisch auf diese schicke Fassade beziehen, die im Grunde nur Gentrifizierung bedeutet. Aber trauen wir den Stones so viel subtile Kapitalismuskritik zu?

Der Künstlerin, die hinter dieser Grafik steht, jedenfalls noch weniger. Paulina Almira ist eine 1990 auf den Philippinen geborene Digital-Künstlerin, die ihre Designs als NFTs, also digital zertifizierte Originale, mittels Kryptowährung verkauft. Vor ein, zwei Jahren boomte diese NFT-Kunst, die bisher noch nichts kunsthistorisch Überzeugendes, Originäres hervorgebracht hat. Auch Almiras zuckerlbunte Ästhetik suhlt sich nur in surrealistischen Zitaten, bevorzugt von Dalí. Überall kullern Augäpfel und zerfließende Uhren in pseudoparadiesischen Settings herum. Retro-Futurismus nennt man das dann. Trotzdem haben die Stones bei der Wahl einer NFT-Künstlerin versucht, den Zeitgeist zu treffen. Aber dieser ist, anders als bei Stones-Covern wie dem von Andy Warhol („Sticky Fingers“) schon beim Erscheinen des Albums verhaucht – der NFT-Kunstmarkt löst sich gerade in Luft auf. Das spricht für sich. Mehr als für uns.

Emails an: almuth.spiegler@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.