Bewaffnete Konflikte

Das Leiden der Zivilbevölkerung

Kinder sind Hauptbetroffene. Ein Bub im zerbombten London während des Zweiten Weltkriegs.
Kinder sind Hauptbetroffene. Ein Bub im zerbombten London während des Zweiten Weltkriegs.Alamy
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Es ist ein finsterer zivilisatorischer Befund: Offenbar gibt es in der Geschichte keine Fortschritte beim Schutz von Zivilisten im Krieg. 

Militärstrategen verwenden den furchtbaren Begriff „Kollateralschaden“, wenn Unbeteiligte Opfer von Kämpfen werden. Noch schlimmer ist es, wenn es darum geht, ganz gezielt private Personen als Opfer auszusuchen, um den Feind zu schwächen. Jeder Krieg ist Wahnsinn, doch historisch betrachtet kann man sagen: Seitdem die Zivilbevölkerung zum Ziel militärischer Operationen wurde, ist die Menschheit in eine neue Phase der Militärgeschichte eingetreten, in das Konzept des totalen Krieges.

In früheren Jahrhunderten musste die Bevölkerung eines Landes schwer leiden, wenn ihr vor einer großen Schlacht nicht die Flucht in eine andere Siedlung gelang oder wenn sie das Opfer von marodierenden, hungrigen oder beutelüsternen Soldaten wurde. Stadtbewohner konnten schwer unter Belagerungen leiden. Je länger eine Belagerung dauerte, desto grimmiger war der Zorn, wenn dann schließlich die Mauern fielen. Dann drohte ein furchtbares Schicksal. Manchmal versuchten die Kommandeure, ihre Männer zu zügeln, aber allzu oft ließen sie die Gräueltaten zu oder munterten dazu auf.

Einer der wichtigen Texte der Antike, der seit 2500 Jahren noch keine Altersspuren zeigt, steht im Geschichtswerk des griechischen Historikers Thukydides. In diesem sogenannten Melierdialog werden die Bewohner der Insel Melos von der Hegemonialmacht Athen aufgefordert, sich bedingungslos zu ergeben. Für Friedrich Nietzsche war dies ein „furchtbares Gespräch“, es endete mit einer Katastrophe. Die Melier erklärten, ihre seit Jahrhunderten bestehende Freiheit nicht aufgeben zu wollen, und unterlagen in der Folge der militärischen Übermacht. „Die Athener richteten alle erwachsenen Melier hin, soweit sie in ihre Hand fielen, die Frauen und Kinder verkauften sie in die Sklaverei“, schreibt Thukydides. Er enthält sich des Kommentars, er teilt uns nicht mit, ob er das Geschehen als kriegsnotwendig akzeptiert oder ob er die Partei der Unterlegenen ergreift.

Krieg lässt Zivilisten keine Wahl

„Krieg kommt nicht freundlich daher und lässt Zivilisten keine Wahl, ob sie hineingezogen werden wollen oder nicht“, schreibt die Historikerin Margaret MacMillan. Diese Art von Gewalt absichtlich zum Ziel zu erklären, gehört zu den Taktiken der Kriegsführung. Gründe dafür gibt es genug: Man kann den Gegner erpressen, wie es die Terrororganisation Hamas gerade im Fall der israelischen Geiseln versucht, man kann die Bevölkerung eines ganzen Landes zermürben wollen, wie es der russische Präsident, Wladimir Putin, mit nächtlichen Bombenangriffen auf zivile Einrichtungen der Ukraine macht. Man kann auch beabsichtigen, den Menschen die Lehre zu erteilen, dass Widerstand sich nicht auszahlt, oder das gegnerische Oberkommando zum Innehalten zu zwingen, um die eigene Bevölkerung vor der Ermordung zu schützen.

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