Gewaltambulanz in Graz

Gerichtsmedizinerin Heinze: Die Pionierin im Kampf gegen Mord und Missbrauch

Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze im alten Institut in Graz. Im Frühjahr übersiedelt das Institut in neue Räumlichkeiten – inklusive moderner Ambulanz.
Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze im alten Institut in Graz. Im Frühjahr übersiedelt das Institut in neue Räumlichkeiten – inklusive moderner Ambulanz. J. J. Kucek
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Gewaltverbrechen und Sexualstraftaten sind geächtet, aber die Täter gehen in den meisten Fällen straffrei aus. Wie Gerichtsmedizinerinnen das ändern wollen und Pionierarbeit aus Graz österreichweit Schule machen soll. Ein Besuch in der ersten Gewaltambulanz Österreichs.

Sarah Heinze braucht keinen Eisbrecher für Gespräche, wenn man zu ihr ins Büro kommt. Sie hat eine Proseccoflasche. „Halten Sie mal“, sagt sie, legt einem einen Schädel in die Hände. Schneeweiß, zart, brutal eingeschlagen.

Dass es ein 3-D-Druck ist, hat die Gerichtsmedizinerin natürlich klargestellt, bevor sie mit der Flasche zielt, andeutet, wie damit geschlagen wurde. Ein alter Fall, sagt sie. In hellen, freundlichen Worten, so nett, als wäre man tatsächlich beim Proseccoplausch erklärt sie, woran man erkenne, mit welchem Gegenstand geschlagen wurde, welche Teile des Schädels sich je Hergang wie verschieben, zeigt weitere Modelle aus dem Regal, erklärt, welche der Werkzeuge darauf zu Fällen gehören, und dass die meisten wegen des anstehenden Umzugs ihres Instituts hier liegen.

„Gewaltambulanz klingt hart, aber das ist Gewalt ja auch“

Sarah Heinze ist seit gut einem Jahr Professorin für Gerichtsmedizin an der Med-Uni Graz. Zuvor war sie unter anderem an der Charité in Berlin oder am Uni-Klinikum Heidelberg tätig. In Graz leistet sie mit der ersten Gewaltambulanz und deren Ausbau nun Pionierarbeit. Aktuell arbeitet Heinze im alten ­Institut, alte Präparate in hölzernen Regalen auf dem Gang inklusive. Im Frühjahr wird ihr Institut in neue, moderne Räume auf dem Med-Campus übersiedeln, dort wird eine eigene, neue Gewaltambulanz eröffnet werden.

Ähnliche Institute gibt es anderswo längst, in Deutschland, Skandinavien. In Österreich soll nun der Ausbau auf Schiene gebracht werden. Vorbild bzw. eines von zwei Pilotprojekten ist die Ambulanz in Graz.

Was ist eine Gewaltambulanz? „Wir sind eine klinisch-forensische Untersuchungsstelle. Aber das googelt niemand. Gewaltambulanz klingt hart, aber das ist Gewalt ja auch“, sagt Heinze. Eine klinisch-forensische Ambulanz ist eine niederschwellige, kostenfreie Ambulanz für alle, die Gewalt erlitten haben.

Täter werden selten bestraft

In der Ambulanz sollen Betroffene Verletzungen so dokumentieren lassen können, dass diese vor Gericht verwertbar sind. Schließlich gibt es gerade bei Gewalt im sozialen Nahraum, gegen Kinder, bei Sexualstraftaten, ein riesiges Problem: Täter werden selten bestraft. Bei Sexualstraftaten lag die Verurteilungsrate zuletzt im sehr niedrigen zweistelligen Bereich. Wie hoch die Dunkelziffer nie angezeigter Fälle ist, weiß niemand.

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