Prozesstag 3

„Message Control“ und „Minenfeld“: Tag drei im Prozess gegen Ex-Kanzler Kurz

Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli und Ex-Kanzler Sebastian Kurz (rechts im Bild) im Wiener Straflandesgericht
Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli und Ex-Kanzler Sebastian Kurz (rechts im Bild) im Wiener Straflandesgericht APA / Comyan / Helmut Fohringer
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Ex-Kanzler Kurz und seinem einstigen Kabinettschef Bonelli wird falsche Beweisaussage vorgeworfen. Beide plädieren auf nicht schuldig. Am 17. November soll Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid vor den Richter treten. „Die Presse“ berichtete live aus dem Gericht.

Penibel vorbereitet präsentierte sich Bernhard Bonelli, seines Zeichens ehemaliger Kabinettschef des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) bei seiner Einvernahme durch Richter Michael Radasztics. Er habe seine Hoffnungen in eine Veränderung der politischen Landschaft gesetzt, erklärte er, warum er einst von einem besser bezahlten Job in der Privatwirtschaft zu Kurz ins Außenministerium gewechselt sei („Das klingt vielleicht ein wenig pathetisch, aber ich wollte nicht am Ende meines Lebens sagen, ich habe eine Chance vertan, etwas zu bewegen.“). Damals sei er der Quereinsteiger gewesen, habe sich dann aber zuerst zum Vize-, dann zum Kabinettschef im Bundeskanzleramt vorgearbeitet und sei dort sowohl für die interne Kommunikation und die Koordinierung der Regierungsarbeit zuständig gewesen als auch für die „Koordinierung mit den Medienleuten“, die von manchen „Message Control“ genannt und „negativ konotiert“ werde. Tatsächlich sei es nur darum gegangen, geordnet über Projekte zu informieren. 

Nicht gut informiert sei er hingegen bei seiner Einvernahme vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss gewesen, räumte Bonelli ein. Denn damals, 2020 auf 2021, habe man alle Hände voll zu tun gehabt, dem Coronavirus Einhalt zu gebieten und Impfstoffe zu besorgen. „Ich war damals 24/7 mit der Pandemiebekämpfung beschäftigt“, daher habe er „keine Zeit gehabt“, sich auf die Befragung vorzubereiten. Ihm sei aber erklärt worden, dass die Abgeordneten ihm verfängliche Fragen stellen würden, um ihm ein Strafverfahren anzuhängen, um daraus politischen Profit zu schlagen. Es sei ein „Minenfeld“ gewesen. Daher habe er sich entschlossen, stets sehr knapp und formell zu antworten und, wenn er etwas nicht mehr genau wusste, gleich zu sagen, er könne sich nicht erinnern. Für den Prozess habe er sich nun aber besser vorbereitet und den Akt eingehend studiert, weswegen ihm gewisse Dinge wieder eingefallen seien, so der Angeklagte, dem wie Kurz falsche Beweisaussage vorgeworfen wird; was beide bestreiten. 

Ex-Kabinettschef Bonelli: „Die Angst war real“

Woran er sich heute erinnern könne, sei, dass „die Angst real“ gewesen sei, dass gegen ihn ermittelt werden könnte. Denn im U-Ausschuss sei eine abschätzige Stimmung gewesen, man habe ihn sogar ausgelacht, dabei habe er mitunter genau dasselbe gesagt, wie der einstige Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid der nun den Status eines Kronzeugen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) anstrebe. So hätten beide auf die Frage, wer denn die Aufsichtsratsmitglieder bei der Öbag bestimmt, geantwortet, dass der Finanzminister zuständig sei. Dennoch sitze nur er, Bonelli, hier und nicht Schmid. 

Konkret nach seiner Rolle bei den Öbag-Bestellungen gefragt, antwortet Bonelli sodann, dass er sich am Brainstorming beteiligt habe. Man habe sich zusammengesetzt und überlegt – vor allem, welche Frauen zum Zug kommen könnten. Er, Bonelli, wollte dann auch, dass Kurz etwaige Kandidatinnen, die er noch nicht kannte, kurz kennenlernt, um informiert zu sein. Dass sei auch in der im Strafantrag befindlichen Chatnachricht gemeint gewesen, als es hieß: „Wenn wir alle drei ein gutes Gefühl haben, machen wir für sie einen Termin mit Sebastian. Ok?“ Bestimmt habe aber eben nicht Kurz, sondern Löger. Das zeige sich auch daran, dass nicht Kurz‘, sondern Lögers Vorstellung letztlich umgesetzt wurde. Soll heißen: Nicht der von Kurz präferierte Industrielle Siegfried Wolf wurde Öbag-Aufsichtsratschef, sondern Helmut Kern, da Löger und Schmid Wolf abgelehnt hätten. 

Herr Kurz, was bedeutet es, dass eine Person „hält“?

Zu dem Anklagepunkt, wonach Bonelli über Vereinbarungen zwischen der ÖVP und der FPÖ hinsichtlich der Personalauswahl bei (teil-)staatlichen Unternehmen Bescheid gewusst haben soll, meinte der Ex-Kabinettschef, dass es innerhalb einer Koalition viele Vereinbarungen gebe. Anders wäre die Regierungsarbeit gar nicht machbar. 2017 sei er an derartigen Ausmachungen nicht beteiligt gewesen, habe im Nachhinein aber manche gelesen. Als Kabinettchef sei er dann sehr involviert gewesen: „Ich war bei vielen verschiedenen Sidelettern mit dabei“, gab er zu Protokoll. Dann wurde Bonelli schweigsam, denn den Vertretern der WKStA wollte er keine Fragen beantworten – notiert wurden deren Fragen aber sehr wohl.

Zum Abschluss des dritten Verhandlungstages rief Richter Radasztics dann Ex-Kanzler Kurz auf, um ihm eine ergänzende Frage zu stellen. Sie lautete: Was es bedeute, wenn eine Person „hält“? Diese Formulierung hatte Kurz nämlich im August 2018 in einem Chat mit Schmid verwendet. Kurz erbat sich daraufhin „Recherchezeit“, da er sich „ehrlicherweise“ nicht mehr genau erinnern könne – nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung sagte er dann: Es sei damals u.a. um Stephan Koren gegangen. Letzterer sei für viele Dinge im Gespräch gewesen, als Minister etwa oder für den Generalrat der Österreichischen Nationalbank. Und „halten“ bedeute, dass eine Person loyal sein müsse und ähnliche Vorstellungen habe, denn in einem Ministerrat brauche es schließlich einstimmige Entscheidungen.

Am 17. November wird Thomas Schmid befragt

Der letzte Punkt betraf sodann die nächsten Termine: Am 17.November soll die Verhandlung fortgesetzt werden – und zwar mit der Einvernahme von Thomas Schmid. Weitere Zeugen werden jedenfalls die ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger und Gernot Blümel (beide ÖVP) sein sowie der Freiheitliche Arnold Schiefer. Wer darüber hinaus noch einvernommen wird, bleibt vorerst offen; fest stehen aber schon mögliche Befragungstermine: Nach dem 17. November soll noch am 11., 15. und 18. Dezember verhandelt werden.

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