Mein Dienstag

Aushängeschilder

Journalistin und Nachrichtensprecherin Megyn Kelly bei der Arbeit. 
Journalistin und Nachrichtensprecherin Megyn Kelly bei der Arbeit. Imago Stock&people
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Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, heißt es. Na ja.

Es gibt da diese Szene in dem Film „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ (2019) über die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Roger Ailes, den ehemaligen CEO von Fox News. „Ich will nicht über die Rolle von Roger definiert werden, ich will nicht das Aushängeschild des Kampfs gegen sexuelle Belästigung sein“, sagt Moderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) zu einem Kollegen.

Sie steht nämlich vor der Frage, ob sie ihrer Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman), die sich als Erste aus der Deckung gewagt und Übergriffe öffentlich gemacht hat, zur Seite stehen oder sich heraushalten soll. Denn vor Jahren wurde auch Kelly von Ailes belästigt.

Als jemand, der mit diesem Namen und dieser kulturellen Identität in Österreichs Medienbranche arbeitet, weiß ich genau, was in ihr vorgeht. Personen haben in meiner Gegenwart Dinge gesagt und getan, die dienstrechtliche Konsequenzen haben müssten, aber nicht hatten. Auch, weil ich den Mund gehalten habe. Weil ich nicht in Erinnerung bleiben wollte als jemand, der in solche Vorfälle verwickelt war. Weil ich nicht über die Taten von missgünstigen Rassisten definiert werden wollte, sondern über meine Analysen, Features, Interviews, Reportagen, Leitartikel, Kommentare und Kolumnen.

Mittlerweile denke ich gänzlich anders darüber. Natürlich ist es unangenehm, mit Menschen in Verbindung gebracht zu werden, die Grenzen überschritten haben. Niemand will im selben Atemzug mit ihnen genannt werden. Und ganz bestimmt will niemand zum Aushängeschild für den Kampf gegen Rassismus im Alltag und Beruf werden.

Was aber ist die Alternative? Derjenige gewesen zu sein, der immer geschwiegen hat? Der Kolleginnen und Kollegen im Stich gelassen hat, die nicht geschwiegen haben? Der zur Kultivierung von Rassismus, Diskriminierung, Ausgrenzung und Herabsetzung beigetragen hat, indem er die Verantwortlichen hat gewähren lassen und jede noch so bittere Pille geschluckt hat?

Welche Karriere, welches Geld und welcher Ruhm würden eine solche Haltung jemals rechtfertigen?

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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