Mein Freitag

Lieber einen Kaffee ohne Schlange als den Wurm

Den Beginn der Arbeitszeit umzustellen, verändert das Gesicht der Stadt.

Zwei Mal im Jahr versöhne ich mich mit dem Konzept Zeit, weil sie besiegt wird. Mögen andere über die Zeitumstellung schimpfen, die Kühe weniger Milch geben, Kleinkinder zu Zombies werden und die Zimmerpflanzen eingehen, ich liebe sie. Nicht nur, weil der Zeit gesagt ist, wie spät es „wirklich“ ist, sondern weil in den ersten Wochen nach der Umstellung alles Beklagenswerte damit erklärt werden kann (dunkel, kalt, müde, hungrig, erschöpft, grantig). Es gibt diesen Moment, wo man kurz nachdenkt, ob nun vor- oder zurückgedreht wird und wie die Backrohruhr umzustellen ist. Sonst funktioniert der ganze Herd nicht. Bei älteren Autos war die Herausforderung, wo man mit der Bleistiftspitze, die garantiert abbrach, hineindrücken musste, um die Uhrzeit zu ändern.

Während man diese Umstellung durchaus genießt, hat sich eine andere Änderung als gravierend herausgestellt. Der Dienstbeginn ist eine Stunde nach vorn gerückt, was an und für sich eine gute Sache ist (die Chefs lesen mit), aber die Welt da draußen ist plötzlich eine andere. Eine Kollegin bringt es auf den Punkt: „Meine Landmark-Menschen sind weg.“

Es sind nicht nur Straßenecken und Schaufenster, die den täglichen Weg kennzeichnen, es sind vor allem die Menschen, die einem begegnen. Man kennt die Hundebesitzer und Eltern, jene, die auch immer mit noch feuchten Haaren zur Haltestelle hasten, die mit dem gemächlichen Schritt und jene, die immer telefonieren. Alle weg. Dafür Massen an Unbekannten, denn nun ist man in der Rush Hour der Stadt, die ein anderes Gesicht hat.

Weg ist der Mann, der immer eine Topfengolatsche gekauft hat, auch der Kaffee zum Mitnehmen geht sich nicht mehr aus, weil die Schlange so lang ist. Dass die Frühen den Wurm fangen, das mag schon sein, aber lieber hätten sie wahrscheinlich einen Espresso.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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