Ski alpin

„Ich bin fertig“: Norwegens Ski-Rebell Braathen beendet überraschend Karriere

Lucas Braathen sorgte für eine Überraschung.
Lucas Braathen sorgte für eine Überraschung.GEPA pictures / Gintare Karpaviciute
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Norwegens Ski-alpin-Star Lucas Braathen gab in Sölden seinen Rücktritt vom Leistungssport mit nur 23 Jahren bekannt. Zuletzt gab es Streit mit dem norwegischen Verband wegen eines Modeljobs.

Lucas Braathen hat am Freitag überraschend seine Karriere beendet. Hatte er am Vortag im APA-Interview noch gern Auskunft über Saisonziele gegeben, so meinte er am Freitag auf einer Pressekonferenz in Sölden: „Ich bin fertig. Ich habe immer meine Träume verfolgt und das, was mich glücklich macht. Aber in den letzten Monaten war ich nicht mehr glücklich.“ Zuletzt stritt er sich mit dem norwegischen Skiverband wegen Sponsoring-Richtlinien. Das Team ist nun im Schockzustand.

Der 23-jährige Norweger gehörte zu den aufstrebenden Stars im Ski-Zirkus. Er holte in der vergangenen Saison erstmals die Kristallkugel im Slalom. Er gewann fünf Weltcuprennen, darunter den Riesentorlauf von Sölden 2020. Er hätte die Entscheidung schon vor vier Wochen gefällt, erklärte Braathen. „Jetzt bin ich das erste Mal seit sechs Monaten glücklich und ich fühle mich das erste Mal seit Jahren frei.“

Für die „falsche“ Marke gemodelt

Der Zwist mit dem Verband sei ein Mitgrund für den Rücktritt, meinte Braathen. Er modelte für die Modemarke „J. Lindeberg“ und stieß damit offenbar den Verband NSF vor den Kopf, der von „Helly Hansen“ ausgestattet wird. Vater Bjørn Braathen sparte nicht mit harscher Kritik am Verband und sprach von Mobbing. Sein Sohn habe sich um Zusammenarbeit bemüht, das sei aber aussichtslos gewesen.

Vor Lucas Braathen waren auch bereits die Superstars Aksel Lund Svindal und Henrik Kristoffersen im Clinch mit der norwegischen Verbandsführung gewesen, die ihnen einen eigenen Kopfsponsor verbot. Der Langlauf-Olympiasieger Johannes Hösflot Kläbo verließ im April die Nationalmannschaft und finanziert sich seine Karriere selbst.

„Mit 23 Jahren sollte man nicht aufhören“

„Das ist ein trauriger Tag, wir waren genauso überrascht wie alle anderen auch. Wir sind ein bisschen im Schock, die Athleten und die Trainer. Mit 23 Jahren sollte man nicht aufhören. Ich denke viel an ihn, was ihn dazu gebracht hat, diese Entscheidung zu fällen“, sagte Alpin-Sportdirektor Claus Ryste am Freitagabend in einer Medienrunde.

Braathen habe Streit mit dem Verband gehabt, aber auf die Details könne er jetzt nicht eingehen, erklärte Ryste. „Aber wir sollten demütig sein und sagen, wenn etwas so endet wie heute, dann hätte man Dinge anders machen können in Bezug auf den Vertrag zwischen dem Athleten und dem Verband.“ Man habe Regeln, Gruppen, ein System und viele Topathleten, offensichtlich müsse man sich all das jetzt anschauen.

Ob es eine Chance für ein Zurück gäbe, darüber wollte Ryste nicht spekulieren. „Lucas ist ein Athlet mit einer starken Meinung, er war sehr klar.“ Man hätte ihn liebend gern zurück, man werde ihn vermissen, weil er großen Einfluss auf den Sport habe. Er selbst habe diesen Schritt nicht kommen sehen, auch die anderen Athleten nicht, die Lucas näherstehen würden. Der Fokus läge jetzt auf den Athleten, die in Sölden anwesend sind, auf Lucas und die Trainer, um die man sich kümmern müsse.

Gab noch gestern Interviews mit Saisonplänen

Im Interview am Donnerstag mit der Austria Presse Agentur beim Termin des norwegischen Skiteams, wo Braathen mit seinen Teamkolleginnen und Teamkollegen auftrat, war nichts von Verdrossenheit zu spüren gewesen. Über den Streit um Vermarktungsrechte wollte der Sportler allerdings nicht sprechen, verwies auf den Termin am Freitag.

Er habe einen schönen Sommer gehabt, sei viel mit Freunden gereist und habe erstmals seit Jahren wieder seine Familie in Brasilien besucht, erzählte der Sohn eines Norwegers und einer Brasilianerin. Das Ski-Camp in Neuseeland sei sehr gut gewesen, danach habe er wegen der warmen Temperaturen nur noch ein paar Schneetage auf einem Gletscher bekommen.

Seine Saisonplanung sah weiterhin Einsätze im Slalom und Riesentorlauf vor. „Mein Traum ist es, mehr Super-G zu fahren. Aber mit dem FIS-Kalender ist es nicht möglich. Im vergangenen Jahr habe ich mein Debüt in Beaver Creek gegeben, das geht heuer nicht wegen des Slaloms in Gurgl.“ In den USA war er auf Anhieb Siebenter geworden.

Sein Plan sei, jede Saison ein noch besserer Skifahrer zu werden. Er treffe sich aber auch sehr viel mit Menschen, die kein Interesse am Skisport und eine andere Perspektive haben. „Dieser Kontrast ist für mich sehr wichtig.“ Sölden betreffend meinte er: „Das ist ein schwieriger Hang, eine gute Piste für einen Skifahrer mit guter Technik. Mein Fokus ist, jeden Tag an der Technik zu arbeiten. Ich liebe diese Strecke, na ja, nicht lieben, sie ist sehr schwer, aber ich weiß, ich kann schnell Skifahren.“

So mancher spekuliert mit einem Comeback

Auch für seine Skifirma Atomic kam die Verkündigung bei trübem Sölden-Wetter aus ziemlich heiterem Himmel. „Auch wenn Lucas Braathen einen neuen Weg eingeschlagen und sich vom Skisport zurückgezogen hat, bleibt Atomic ihm als Athlet und als herausragende Persönlichkeit, die den Sport verändern kann, treu“, hieß es in einer Mitteilung. Den Verband unterrichtete Braathen am Freitag um 11 Uhr, seine Teamkollegen bereits am Donnerstagabend.

Wie endgültig die Entscheidung des jungen Mannes mit stets bunt bemalten Fingernägeln ist („Ich muss immer schauen, dass ich ein Nagelstudio finde“), bleibt abzuwarten. FIS-Chef-Renndirektor Markus Waldner bedauerte Braathens Entscheidung. „Das war ein großer Knall und eine schlechte Nachricht. Er ist ein großartiger Skifahrer, eine Rennmaschine, aber auch ein Partytyp. Eine farbenfrohe Persönlichkeit und der beste Slalomfahrer des letzten Jahres.“ Er hoffe, dass es zu einer Klärung mit dem norwegischen Verband komme. (APA)

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