Kurzkritik

John Lennon hatte eine gute Band! So klingt der „neue“ Beatles-Song „Now And Then“

So sahen die Beatles aus, als sie als Band schon ziemlich am Ende waren: Foto aus dem Jahr 1969.
So sahen die Beatles aus, als sie als Band schon ziemlich am Ende waren: Foto aus dem Jahr 1969.Bruce McBroom & Apple Corps Ltd.jpg
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„Now And Then“, aus einer Soloaufnahme John Lennons gebastelt, klingt erstaunlich gut, besser als die beiden schon früher so entstandenen Songs „Free As A Bird“ und „Real Love“. Dabei ist das Lied an sich gar nicht so toll: ein reuiges Liebeslied für Yoko Ono.

Die Plattenfirma Universal – die 2011 die Beatles-Agenda von EMI übernommen hat – hatte alles getan, um die Erwartungen zu schüren. Um es auf Beatlisch zu sagen: auch with a little help from Paul McCartney, der feststellte: „Wir alle sind darauf zu hören, also ist es eine echte Beatles-Aufnahme.“ Eine ziemlich asynchrone, darf man sagen: Der Gesang John Lennons wurde irgendwann zwischen 1977 und 1979 aufgenommen, etliche Instrumentalspuren in den Neunzigern (noch mit George Harrison), andere erst 2002, darunter McCartneys Slideguitar-Solo. Dazu kommen bearbeitete Bruchstücke aus „echten“ Beatles-Arrangements.

Aber gut. Immerhin spielten alle mit und hielten dicht: Erst um 15 Uhr am 2. November – also, gut passend, zu Allerseelen – war der Song auf den üblichen Kanälen zu hören.

Er beginnt mit einem knappen „One, two“, dann setzt ein schlichtes Klavier ein. Bald hört man die klagende, fast zarte Stimme John Lennons: „I know it’s true, it’s all because of you, and if I make it through, it’s all because of you.“ Es ist eines jener reuigen Lieder, die Lennon in den späten Siebzigerjahren, nach der Rückkehr von seinem exzessiven Eheurlaub von 1973 bis 1975, für seine Frau Yoko Ono sang. Dass es vielmehr an den Ex-Kollegen Paul McCartney gerichtet gewesen sein soll, ist ein Gerücht.

McCartney klingt (fast) wie Harrison

Erstaunlich ist, was die noch lebenden Beatles, unterstützt vom Produzenten Jeff Lynne, daraus gemacht haben: Das Arrangement ist geschmackvoll, wenn auch nicht wirklich originell – wenn man die Songs aus der Spätphase der Beatles kennt. Tatsächlich meint man im Refrain die – unter anderem von Giles Martin, dem Sohn des legendären Beatles-Produzenten George Martin – aus „Eleanor Rigby“ destillierten Streicher-Stakkati zu erkennen; und den Chören am Schluss hört man an, dass sie aus „Because“ abgeleitet sind. Und die für Ringo Starr typischen Schlagzeug-„Fills“ – am berühmtesten vielleicht jener in „A Day In The Life“ – tun das Ihre, um den Song „nach Beatles“ klingen zu lassen. Schmunzeln lässt das Slidegitarre-Solo, das McCartney laut eigener Aussage in Imitation seines Ex-Kollegen George Harrison (gestorben 2001 an Lungenkrebs) eingespielt hat: Es erinnert wirklich an Harrison, doch ihm fehlt dessen charakteristische Melancholie. Ein Sonnenscheinchen wie Paul McCartney kann sich halt nicht verstellen…

Diesmal ist die musikalische Mimikry jedenfalls besser gelungen als bei den anderen Songs, die aus Demoaufnahmen John Lennons entstanden sind, die Yoko Ono 1994 Paul McCartney überreichte: „Real Love“ (erschienen 1996 als Single und auf „Anthology 2“) und vor allem „Free As A Bird“ (1995, „Anthology 1“) klangen deutlich fader, auch in den Arrangements. Dieser ästhetische Fortschritt ist wohl auch dem technischen Fortschritt zu verdanken: Es ist einfach leichter geworden, mit Computerhilfe Musik „nach der Art“ von Vorbildern zu produzieren.

Dass jetzt noch der vierte 1994 von Yoko Ono übermittelte Song in einer „Beatles-Version“ erscheint, ist allerdings unwahrscheinlich. „Grow Old With Me“ – das Demo wurde 1980 auf Bermuda aufgenommen – ist wohl einfach zu rührselig. Außerdem haben McCartney und Ringo Starr fest versprochen, dass „Now And Then“ der „letzte neue Beatles-Song“ sein soll. Und wem soll man trauen, wenn nicht zwei echten Beatles?

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