Filmkritik

„Dumb Money“: Börsen-Aktivismus für Dummies

Der reale Online-Investmentberater Keith Gill wird in „Dumb Money“ von Paul Dano verkörpert.
Der reale Online-Investmentberater Keith Gill wird in „Dumb Money“ von Paul Dano verkörpert.Constantin
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Der „Klassenkampf“ rund um die Aktie der Handelskette GameStop sorgte 2021 für Börsenturbulenzen. Nun macht ein Spielfilm mit Paul Dano ein Underdog-Märchen daraus, das leider viel zu platt geraten ist.

Wir leben, ach, in schnelllebigen Zeiten: 2021 ist der Aktienwert des konkursreifen Computerspielhändlers GameStop unerwartet in die Höhe geschossen, im selben Jahr erschien bereits das Buch über dieses kuriose Marktphänomen. Prompt wurde auch ein Film daraus – er ist derzeit im Kino zu sehen.

Hingenundelt wirkt „Dumb Money“ trotzdem nicht. Die Inszenierung ist launig, die Besetzung hochkarätig. Allerdings wird die Komplexität des Filmthemas vom plakativen Plot applaniert: Schon wieder stellen sich hier Underdogs einem Gegner, der unbezwingbar scheint. Diesmal handelt es sich um Hedgefondsmanager, die auf den Sturz der GameStop-Aktie wetteten. Der (reale) Hobbyinvestor Keith Gill (Paul Dano) wischt ihrem potenziellen Milliardengeschäft unverhofft eins aus, indem er den Kurs besagter Aktie hochtreibt – mit Unterstützung vieler im Internet mobilisierter Gleichgesinnter. Sie eint nur eins: Es geht Ihnen nicht ums schnöde Geld, sondern ums Prinzip!

Das schwere Geschütz, das „Dumb Money“ auffährt, u. a. mit Schlagworten wie „Revolution“ und „Klassenkampf“, bedienen die Online-Aktionisten ohne viel Börsenwissen. Darunter finden sich z. B. eine finanziell strauchelnde Krankenschwester, Studis mit Schulden und ein GameStop-Mitarbeiter. Sie pumpen mühsam aufgebrachtes Geld in das unbedeutende Wertpapier und sind überrascht, als ihre Investitionen Früchte tragen. Allerdings nur digital: die Anteile zu verkaufen käme, trotz meist prekärer Lebenslage, einem Verrat ihrer hehren Ziele gleich. Denn die Hobbyanleger wollen fiesen Wall-Street-Bankern (verkörpert u. a. von Seth Rogen) Milliardenverluste bescheren und ihnen so endlich eine gepfefferte Rechnung für ihre zynischen Spekulationsgeschäfte servieren.

Kleines Finanzeinmaleins

Wie funktioniert so etwas überhaupt? Das zu erklären, gibt sich „Dumb Money“ alle Mühe: Im Vorbeigehen lernt der Laie, was dummes Geld ist (Börseneinsätze von Privatanlegern) und was „Short Squeeze“ heißt. Auch, warum massig Profite winken, wenn man auf den Konkurs eines Betriebs setzt. Wo Adam McKays vergleichbarer Film „The Big Short“ (2015) Antworten auf Fragen rund um den Finanzcrash 2008 noch pädagogisch wertvoll in Plot-Pausen aufbereitet hat, wickelt die Dramödie von Craig Gillespie sein kleines Finanzeinmaleins in einem Atemzug mit ihrer teils hektischen Erzählung ab. Selbige bringt die Hauptbeteiligten in die Nachrichten – und bis zur Anhörung vor dem US-Kongress.

Die filmischen Erläuterungslawinen von „Dumb Money“ überwältigen, bleiben aber nebensächlich. Vor allem geht es hier um den sprichwörtlichen Kampf der 99 gegen das böse eine Prozent. Entsprechend wird die App, die diesem Rebellionstheater eine populäre Bühne geboten hat, hier als digitale Verlängerung des analogen Protests von Occupy Wall Street bezeichnet. Sie heißt wie ein bekannter Umverteiler: Robin Hood.

Damit übernimmt Regisseur Gillespie bloß den Mythos, den die realen GameStop-Aktivisten in Foren und Videos von sich selbst erzählen. Dass er sich mit Aufstiegsmärchen auskennt, wissen wir schon seit „I, Tonya“, seinem Drama über den g’scherten Eiskunststar Tonya Harding. Die Glorifizierung der Underdogs läuft hier jedoch auf eine Feier des Systems hinaus, das sie zu solchen macht: Die Börse fungiert in „Dumb Money“ als neutrales Medium, von Gierschlünden mit unlauteren Seilschaften lediglich korrumpiert. Man müsse es sich nur aneignen, und schon sei Reichtum allerorts gerecht umverteilt – ganz bequem, quasi per Knopfdruck. Man könnte diese Fantasterei, im Unterschied zu Gillespies Film, auch beim Namen nennen: „Slacktivismus“, d. h. Couch-Aktivismus.

Die Hybris des Siegestaumels

Dass sich viele Amateuranleger mit der GameStop-Aktie verspielt haben, findet in den triumphalen Texttafeln vor dem Abspann kaum Platz. Vielmehr herrscht „Happy End“-Tümelei, zusammengefasst im siegessicheren Schlusssatz, der auch als Selbstbeweihräucherung der vorgängigen 100 Minuten verstanden werden kann: „Wall Street wird Dumb Money nie wieder ignorieren können!“

Wer auch nur ein bisschen über den Hintergrund der Geschichte informiert ist, dem muss das wie blanke Hybris vorkommen. Letztlich fehlt „Dumb Money“ genau das, was der Film an seinen eigenen Helden preist: Geduld. Sowie (zeitlichen) Abstand zum Geschehen. Vielleicht bedarf es aber auch eines übereilten, unverhohlenen Bluffs, damit Missstände im Börsenunwesen endlich adressiert werden.

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